Diamanten oder Strass

Websites von Autoren haben ihren Reiz. Besonders, wenn sie auch wirklich von Autoren kommen

Von Victoria MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Victoria Müller und Katharina BruchRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katharina Bruch

Ob Mediamarkt, Aldi, die Deutsche Bahn oder der Blumenladen um die Ecke: Jeder, der heutzutage etwas verkaufen will, muss im Internet präsent sein. Das gilt auch für Schriftsteller. Allerdings hat nicht jeder Autor die Zeit und die Fähigkeit, eine eigene Website zu erstellen. Deshalb übernehmen das mehr und mehr die Verlage. Leider meist ohne den nötigen Schwung. Sie beschränken sich oft auf biografische Daten und Publikationslisten. Von eigenständigen Autorenwebsites ist man häufig noch weit entfernt.

Als Silberstreif am Internethorizont erscheinen die S. Fischer Verlage und der Deutsche Taschenbuch-Verlag dtv. Hier wird der Autor auf der Verlagssite kurz vorgestellt, ergänzt um ein „Special“, in dem ausführlichere Informationen zum Autor und seinen Werken gegeben werden. Einzelne Websites kosten viel Zeit und Geld. Da ist es kein Wunder, dass die Verlage zögern, sie für alle Autoren im optimalen Umfang und Aussehen zu erstellen. Die S. Fischer Verlage haben eine gute Kompromisslösung gefunden. Sigurd Martin, der das Online-Marketing bei S. Fischer koordiniert, erklärt das Verfahren, das der Verlag selbst für namhafte Autoren wie Julia Franck und Judith Hermann nutzt: „Das Ganze funktioniert wie ein Baukausten, mit dem man kleine Microsites für Autoren oder auch für Titel ohne großen technischen Aufwand erstellen kann.“

Für andere Autoren vor allem des Unterhaltungsbereichs, für Tommy Jaud und Susanne Fröhlich zum Beispiel, werden jedoch eigene Websites kreiert und speziell auf sie zugeschnitten. Bunte Farben, Fotos und Videos machen den Unterschied zum eher zurückhaltenden Design der S. Fischer-Autorenseiten aus. Die zusätzliche Arbeitszeit und die höheren Kosten für individuellere Seiten zahlen sich aber nur aus, wenn die Besucherzahlen dementsprechend hoch sind. Und auf www.tommyjaud.de sind sie hoch: 15-20.000 Besucher kommen im Monat auf die Seite, wenn ein neues Buch erscheint.

Dabei sind die Leser nicht die einzige Zielgruppe solcher Websites, mitunter nicht einmal die wichtigste. Die Portale richten sich ebenso an Multiplikatoren: „Lesungsanfragen des Buchhandels und Interviewanfragen der Presse laufen zu einem guten Teil über die Autorenwebsites, und allein deswegen sind sie schon wichtig“, betont Martin. Oft ist es sogar so, dass spezielle Angebote für den Leser fehlen. Martin erklärt, warum S. Fischer mit Web 2.0-Funktionen wie Blogs, Kommentiergelegenheiten oder die Möglichkeit zum Austausch in einer Community nur sehr zurückhaltend arbeitet: Sie müssten redaktionell betreut werden und seien deswegen sehr zeit- und kostenintensiv. Und das gilt nicht nur für Verlage: Auch den meisten Autoren fehle in ihrem Terminplan häufig der Raum, um sich täglich um ihre Website zu kümmern. Deswegen nähmen sie Angebote zu einer intensiveren Beteiligung nur im Ausnahmefall wahr. Doch das hat seinen Preis: Fehlende Blogs und Foren bedeuten fehlende Interaktion mit den Lesern.

Dass die von Autoren selbst betriebenen Internetauftritte viel stärker leserorientiert sind, zeigt die Website von Arno Strobel, dessen Thriller ebenfalls bei Fischer erscheinen. Der Autor des Bestsellers „Der Trakt“ legt großen Wert darauf, seinen Webauftritt arno-strobel.de selbst zu gestalten, da er ganz bestimmte Vorstellungen hat, wie er sich im Internet präsentieren möchte: „In erster Linie“, erläutert er, „habe ich an meine Leser gedacht, denen ich die Möglichkeit bieten möchte, sich über mich, meine Projekte und aktuelle Veranstaltungen zu informieren.“

Kein Wunder, dass Strobel hierbei nichts dem Zufall und auch nichts dem Verlag überlassen will: Zum einen erscheinen seine Bücher im nicht gerade marketingintensiven Taschenbuchsegment, zum anderen stammt der Autor ursprünglich aus dem IT-Bereich. Was nicht bedeutet, dass ihn das Erstellen der eigenen Website nicht auch einiges an Zeit und Arbeit gekostet hat.

Zwar wirken auch bei den von den Verlagen erstellten Websites die Autoren an ihrem Internetauftritt mit, doch werden hierbei zum Großteil Inhalte eingebunden, die der Verlag schon auf seiner eigenen Website präsentiert. So stößt man zum Beispiel auf tommyjaud.de auf dieselben Videotrailer und Hörproben, die auch auf der Seite des Verlags zu finden sind. Auf den selbst gestalteten Seiten hingegen findet sich nicht selten anstelle der schmalen Klappentextbiografie Launiges oder Anekdotisches. „Ich finde die Berichte von Menschen toll, die von einem ganz besonderen Erlebnis erzählen, das ihnen die Gewissheit gegeben hat, sie wollten nur noch eines werden – Schriftsteller(in). Leider habe ich so etwas nicht vorzuweisen“, gesteht beispielsweise Arno Strobel. Der Autor wird als Mensch hinter dieser Seite greifbar.

Wichtiger noch: Der Autor wird erreichbar. Natürlich können Bestsellerautoren wie Tommy Jaud oder Schriftsteller, die auch in anderen Rollen im Rampenlicht stehen wie Susanne Fröhlich, häufig einfach nicht die Zeit dafür aufbringen, jeder Leseranfrage persönlich zu antworten. Eine gute Lösung für dieses Zeitproblem scheint dagegen Arno Strobel gefunden zu haben. Auf seiner Website bietet er seinen Besuchern ein Gästebuch zur Kommunikation. Bei dringenden Anfragen und Anregungen antwortet er selbst. Selbst kritische Stimmen werden von ihm nicht ignoriert. Eine Barbara etwa zeigt sich von seinem Buch „Der Trakt“ „maßlos enttäuscht“ und fragt sich, den Autor und die Community unverblümt: „Wie kann man eine weibliche Figur sooooo nervtötend darstellen?“ Strobels diplomatische Antwort: „Liebe Barbara, es tut mir leid, dass Ihnen mein Buch so gar nicht gefallen hat, aber ich danke Ihnen für Ihr Feedback. Viele Grüße.“