Ein Fluss verbindet

47 Anekdoten zum Leben Berliner Frauen

Von Tessa Randau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Berlin: ehemalige Hauptstadt des Deutschen Reiches, Symbol für Teilung und Wiedervereinigung, neue Hauptstadt der Bundesrepublik. Eine Stadt, die lebt, eine Stadt mit bedeutender Vergangenheit und vielversprechender Zukunft, eine Stadt mit tausend Gesichtern. Einen Teil dieser Gesichter kann man nun näher kennenlernen, Gesichter von Menschen, die Berlin bedeutend mitgeprägt haben und doch häufig vergessen werden – die Bürgerinnen. Das Buch „Frauen an der Spree – Ein Spaziergang durch die Geschichte“ erzählt in 47 kurzen Anekdoten über Berliner Frauen und ihr Leben in dieser Großstadt.

Der rote Faden, der die einzelnen Erzählungen miteinander verbindet, ist die Spree. Wie ein Spaziergang entlang des Gewässers ist das Buch gestaltet. Nacheinander werden markante Punkte der Berliner Frauengeschichte angesteuert. Gebäude, Tafeln, Straßennamen oder Skulpturen dienen als Aufhänger, um die mit ihnen in Verbindung stehenden Begebenheiten zum Leben zu erwecken. Der Ausflug beginnt am Berliner Osthafen und endet an der Straße „Sigmundshof“ im Westen. Ortsunkundigen Leserinnen und Lesern erleichtert ein Stadtplan-Ausschnitt die Orientierung, auf dem die einzelnen Stationen des „Spaziergangs“ markiert sind.

Zwar kann das Buch „Frauen an der Spree“ kein umfassendes Bild der weiblichen Historie Berlins zeichnen, doch gerade die bunte Reihung der Geschichten, die Leben und Wirken von Frauen aus unterschiedlichen Schichten zu unterschiedlichen Zeiten darstellen, ist reizvoll. Erzählt wird zum Beispiel von dem Alltag der Schifferfrauen am Osthafen: „Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die märkische Kleinschiffahrt noch ein reines Männergeschäft gewesen. Aber nur scheinbar! Die ‚daheim‘ gebliebenen Schifferfrauen versorgten ihre Männer auf den Kähnen mit Erzeugnissen aus der eigenen landwirtschaftlichen Produktion, und diese Leistungen waren Teil der betrieblichen Gesamtkalkulation.“ Auch die Geschichten von Ärztinnen, Lesben, Unternehmerinnen, Wäscherinnen, Künstlerinnen, Arbeiterinnen und vielen mehr sind ein interessanter und kurzweiliger Ausflug in die Vergangenheit. Jede von ihnen setzt individuelle Schwerpunkte. Mal steht eine einzelne Frau im Vordergrund, mal eine Gruppe von Frauen. Allen Protagonistinnen ist gemeinsam, dass jede von ihnen etwas Besonderes geleistet hat. Jedoch ist „Frauen an der Spree“ keine Lobpreisung, sondern eher ein bescheidener Gedenkstein.

Das Buch eignet sich nicht dazu, in einem Zug gelesen zu werden. Stattdessen laden die Texte dazu ein, in einem ruhigen Augenblick in vergangene Zeiten abzutauchen und die Geschichten, die das Leben schrieb, auf sich wirken zu lassen. Optisch aufgelockert und ergänzt werden die höchstens drei Seiten umfassenden Kapitel durch kleine Fotografien und Zeichnungen.

Entstanden ist die Sammlung der 47 Texte auf der Grundlage historischer Dampferfahrten, die die „Berliner Geschichtswerkstatt“ seit 1987 zum Thema „Frauengeschichte“ organisiert. Die für diese Fahrten recherchierten Historien wurden in „Frauen an der Spree“ zusammengestellt. 16 Autorinnen, unter ihnen Historikerinnen, Journalistinnen und Künstlerinnen haben die Texte erarbeitet, so dass die Vielfalt der Geschichten nicht nur inhaltlicher Natur ist. „Frauen an der Spree“ ist ein Buch von Frauen über Frauen, aber nicht nur für Frauen zu empfehlen.

Titelbild

Cornelia Carstens (Hg.): Frauen an der Spree. Ein Spaziergang durch die Geschichte.
be.bra verlag, Berlin 1999.
120 Seiten, 10,20 EUR.
ISBN-10: 3930863499

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