Faszinierendes Buch über William Shakespeare

Armin Sensers „Roman in Versen“ ist kein literaturwissenschaftlicher Dis-kurs, sondern eine lyrische Annäherung an den berühmten Dramatiker und Lyriker

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er ist das größte literarische Rätsel: William Shakespeare (1564-1616). Seit über 150 Jahren wird eine leidenschaftliche Debatte um den Dichter aus Stratford-upon-Avon geführt, der bei seinem Tod nicht nur 36 Dramen, zwei Versepen und 154 Sonette hinterlassen hat, sondern auch jede Menge Fragen und Antworten. Für viele Literaturwissenschaftler gibt es bisher keinen schlüssigen Nachweis, dass Shakespeare das monumentalste Werk der Literaturgeschichte überhaupt verfasst hat.

Grund für die Unsicherheit der Autorenschaft seiner Werke ist die mangelnde Aktenlage in Shakespeares Biografie. Wir kennen seine Theaterstücke und Gedichte und verfügen über eine Fülle von Dokumenten, in denen er genannt wird, doch es gibt keine zeitgenössischen Berichte darüber, dass der Mann aus Stratford-upon-Avon Schriftsteller war.

William Shakespeare hat sich selbst weder zu seinem Leben noch zu seinem poetisch-dramatischen Werk geäußert. Daher wissen wir zwar aus seinen Werken erstaunlich viel über ihn, aber zugleich wissen wir über seine Herkunft und sein Leben erstaunlich wenig. Dieser Umstand führte immer wieder zu Biografien, in denen die kühnsten Vermutungen und Spekulationen geäußert wurden.

Nun liegt im Hanser Verlag ein weiterer Shakespeare-Buchtitel vor. Eine weitere Biografie? Ja und nein. Der bekannte Schweizer Lyriker Armin Senser (geboren 1964) nähert sich in seinem Shakespeare-Roman in Versen dem „mysteriösen“ Dichter auf ganz persönliche Weise. Er verfolgt seine Spuren vorrangig in seinen Werken, und Senser ist ein vorzüglicher Kenner, denn er hat die Stücke nicht nur gelesen, sondern die meisten auch auf den verschiedensten Theaterbühnen der Welt gesehen.

So entwirft Senser in freien, aber rhythmischen Versen ein mögliches Bild des großen Shakespeare. Von der Kindheit in Stratford, von seinen ersten Dramen bis zum „Sturm“, seinem letzten Stück, wölbt sich der lyrische Bogen. Dazwischen macht Senser immer wieder die dichterische Kraft sichtbar, mit der Shakespeare die gesellschaftlichen Gegensätze seiner Zeit in unvergleichlichen Werken darstellte.

In seinem lyrischen Roman nimmt Senser den Leser mit auf die Suche nach Shakespeare. Gemeinsam begegnen sie ihm beim Kirchgang, während des Theaterapplauses oder in den Armen seiner Ehefrau Anne und schließlich bei seinen Selbstzweifeln während des Schreibens – „aber er weiß, seine Werke können etwas bedeuten, denn sie sprechen von seinem Leben“.

Die 328 Seiten sind eine Einladung zu einem Spaziergang durch den Kosmos des größten Dichters aller Zeiten. Danach ist um das „Rätsel Shakespeare“ zwar auch nicht die Wahrheit ans Licht gebracht worden. Das ist aber nicht das Anliegen des Buches, vielmehr wollte der Autor uns den Menschen Shakespeare ein wenig näher rücken – ein Muss für Shakespeare-Verehrer und für Anti-Stratfordianer.

Titelbild

Armin Senser: Shakespeare. Ein Roman in Versen.
Carl Hanser Verlag, München 2011.
328 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783446236462

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