Proll, aber groovy

Silvia Szymanskis Roman über eine Kinderpflegerin

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Silvia Szymanskis Erzählung "Chemische Reinigung", sodie Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" vor zwei Jahren, füge sich "in eine noch junge Tradition weiblichen Erzählens", an deren Anfang Ingeborg Bachmanns "Todesarten"-Projekt leuchte.

Doch in Silvia Szymanskis neuem Roman "Agnes Sobierajski" ist weder ein neuer Trend noch eine irgendwie geartete Verbindung zu Ingeborg Bachmann festzustellen.

Die Hauptfigur Agnes Sobierajski ist Ende zwanzig und arbeitet für eine Babysitting-Agentur. Sie sitzt abrufbereit an ihrem Telefon, um dann zu irgendwelchen Familien zu hetzen und deren Kinder zu beaufsichtigen. Die Handlung beginnt an einem "knallig heißen Sommertag am trashigen Ende des Jahrtausends. Die Atmosphäre ist proll, aber groovy." So viel erfährt man auf den ersten Seiten und ist durch das Vokabular leicht irritiert.

Doch es ist nicht nur die Sprache der 42-jährigen Autorin, die Unbehagen auslöst, auch einige kausale Zusammenhänge, die konstruiert wirken und Denkweisen, die der Protagonistin aufgezwungenen sind, wirken störend. Da heißt es an einer Stelle: "Die Sonne spiegelte sich in den Butterblumen wie in goldgelber fettiger Seide. Sie brannte im Nacken und brachte Mücken zum Stechen und Ameisen zum Pinkeln." Und wenn die Hauptfigur Agnes Sobierajski ein Gespräch in fremder Sprache belauscht, assoziiert sie unvermittelt, dass ein Verbrechen geplant sei.

Es bereitet einige Schwierigkeiten, sich auf das Handeln dieser Protagonistin einzustellen. Zum Beispiel lernt sie den jugendlichen Mustafa kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt: "Ich übte den Namen, bis er eine Einrichtung in meinem Kopf wurde." Gemeinhin hat ein solcher Satz in einer Romanhandlung keinen Platz, es sei denn, er soll uns auf Agnes' Naivität hinweisen.

An dieser Stelle soll nicht die Debatte über Sex und Erotik in der Literatur vertieft werden, die zum Bruch des Literarischen Quartetts geführt hat, aber auch diesem Thema ist Silvia Szymanski sprachlich nicht gewachsen. "Sein Glied rutschte in mich hinein, und wir staunten über uns in unserer glitschig geilen Welt mit unseren seltsam geformten Geschlechtsteilen, die es aber gut taten." Das ist sprachlich unterstes Niveau.

Agnes' Beziehung mit dem jungen Mustafa ist kein dauerhaftes Glück beschieden. Er eröffnet ihr, dass er verfolgt werde, sogar ein Geheimdienst soll noch ins Spiel gebracht werden. Doch auch diese eingefügten Pseudo-Spannungselemente können diesen hoffnungslos verunglückten Roman nicht retten.

Titelbild

Silvia Szymanski: Agnes Sobierajski.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000.
204 Seiten, 17,80 EUR.
ISBN-10: 3455062806

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