Im Original immer noch am besten

Die Neuausgabe von Hesses Erzählung „Die Heimkehr“ als „Buch zum Film“

Von Clarissa HöschelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Clarissa Höschel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hermann Hesses bislang wenig bekannte Erzählung „Die Heimkehr“ wurde erstmals 1909 in der Neuen Rundschau abgedruckt; die erste Buchausgabe folgte 1912. Und der Text ist ein echter Hesse: Von Heimat ist die Rede, und von der Frage, wo diese denn zu suchen und zu finden sei; von menschlicher Nähe erzählt er, vom Außenseitertum und von kleinstädterischer Enge, die sich nur allzu gerne als großstädterische Weite zu tarnen sucht. Dass sich hinter dem idyllisch-bigotten Gerbersau Hesses Geburtsstädtchen Calw verbirgt, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, denn pünktlich zum 50. Todestag Hesses ist „Die Heimkehr“ vielleicht nicht in aller, aber doch in vieler Munde.

Das liegt zum Teil an der Neuausgabe der Erzählung, deren Text dem siebten Band der von Volker Michels herausgegebenen, 2001 erschienenen „Sämtlichen Werke“ folgt. Zu einem größeren Teil dürfte es aber an der kürzlich ausgestrahlten Verfilmung liegen – übrigens die erste deutsche eines Hesse-Werkes. Dass diese Verfilmung, genau genommen, gegen den expliziten Willen des Autors erfolgt ist (Hesse hatte sich zu Lebzeiten mehrmals deutlich gegen Verfilmungen literarischer Werke ausgesprochen), ist eine inzwischen mehrfach zitierte Anekdote am Rande, die zuweilen ergänzt wird um jene, nach der Hesse seinen Söhnen zugestanden hatte, im Falle von materiellen Engpässen doch einer Verfilmung zuzustimmen. Es gibt sogar Gerüchte, nach denen uns eine regelrechte Hesse-Verfilmungswelle bevorstehen soll. Was daran wahr ist, wird sich zeigen.

Hesses 50. Todestag steht jedenfalls unter dem Eindruck der „Heimkehr“, der Neuausgabe des Buches ebenso wie des Films. Allerdings muss sich das Buch fast gezwungenermaßen dem Film unterordnen, denn bereits äußerlich wird es durch das Titelbild und einen zusätzlich angebrachten Hinweis als „Das Buch zum Film“ etikettiert. Im Inneren findet sich dann noch ein kleiner Anhang mit Daten zu Film und Besetzung sowie einigen Setfotos. Damit steht der Text nicht mehr für sich alleine, sondern in Bezug zu dem, was der Münchner Regisseur Jo Baier daraus gemacht hat.

Wer den Text vor dem Film kannte, wird den Film für unnötig überladen halten; wer den Text nach dem Film gelesen hat, der wird ihn entweder farblos finden oder aber der Meinung sein, die zahlreichen dramatischen Ergänzungen Baiers seien zur Übermittlung der Botschaft von „Die Heimkehr“ nicht nötig gewesen.

Erzählt wird in Text und Film dasselbe: Schlotterbeck (im Film: Staudenmeyer), ein in die Jahre gekommener Geschäftsmann, kommt nach Jahrzehnten in seine Heimatstadt zurück und trägt sich mit dem Gedanken, sich dort niederzulassen. Nach und nach erkennt er jedoch den kleingeistigen und bigotten Charakter der Menschen, die ihn einerseits wegen seines angeblichen Reichtums in ihre „gute Gesellschaft“ integrieren wollen, ihn andererseits aber hinter seinem Rücken kritisieren und längst als Sonderling abgestempelt haben. Ein ähnliches Schicksal widerfährt der Witwe Entriß, die in den Augen der Gerbersauer als auswärtige Ehefrau eines Einheimischen selbstverständlich Schuld ist an dessen frühem Tod. Die Tatsache, dass sie als alleinstehende Frau, die sich noch dazu um ihre geistig verwirrte Schwägerin kümmert, bestehen kann, macht sie zur bevorzugten Zielscheibe von Gerüchten, Tratsch und falschen Anschuldigungen. Der verlorene Sohn und die gemiedene Witwe freunden sich vorsichtig an, doch den ersten Heiratsantrag lehnt die stolze Frau mit Verweis auf ihre Unabhängigkeit und ihre pflegebedürftige Schwägerin ab. Schlotterbeck (Staudenmeyer) verreist daraufhin und hofft nach seiner Rückkehr auf eine positive Antwort. Als sich die Ereignisse um die Witwe während seiner Abwesenheit zum Schlechten wenden, kehrt er vorzeitig zurück. Die Witwe, nun geläutert, weist ihn dieses Mal nicht zurück; der leidlich offene Schluss suggeriert eine glückliche Zukunft.

Während es Hesse nun aber genügt, in leisen Tönen vorsichtig zu skizzieren, greift Baier beherzt in alle Farbtöpfe und in einen gut gefüllten, dramaturgischen Fundus. Beide Strategien haben dasselbe Ziel: den Widerstand der Witwe zu brechen, sodass die Heirat der Außenseiter beschlossen wird und das Happy-End in greifbare Nähe rückt.

Für die Läuterung der Witwe reicht es Hesse, die Verwirrung der Schwägerin sukzessive zu steigern, bis diese in eine Anstalt eingewiesen wird. In Baiers Fassung müssen dafür gleich drei Menschen auf tragisch-dramatische Weise sterben – die arme Schwägerin und zwei weitere, die es bei Hesse als Figuren überhaupt nicht gibt. Dabei ist der Film gar nicht rundweg schlecht (sieht man einmal von der recht verkitschten Schluss-Szene ab), doch man merkt ihm an, dass hier verschiedenen Interessen Rechung getragen und verschiedene, einzeln durchaus bewährte Rezepte zu einer mehrstöckigen Torte aufgeschichtet wurden. Doch wozu? „Die Heimkehr“ ist im Original immer noch am besten.

Titelbild

Hermann Hesse: Die Heimkehr. Erzählung.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
80 Seiten, 5,00 EUR.
ISBN-13: 9783518463345

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch