Eisberg voraus

Über Rosa Pocks Geschichten-Band „wir sind idioten“

Von Michael KurzmeierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Kurzmeier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer anders schreibt als die anderen, der muss sich um so mehr die Frage gefallen lassen, warum er oder sie das tut. Nicht etwa deswegen, weil der Mainstream sich nicht rechtfertigen müsse, sondern schon aus dem einfachen Grund, dass Abweichungen schneller ins Auge fallen als das sogenannte Normale. Rosa Pock hat in ihrem neuen Band „wir sind idioten“ drei kurze Texte zusammengestellt, die alle durch eine eigenwillige Syntax und Schreibweise sowie enorme inhaltliche Verknappungen formell von Gewohntem abweichen.

Pock sieht sich laut Klappentext in Ihrem Erzählen keinen literarischen Techniken verpflichtet, „die gemeinhin ,Stimmung‘ erzeugen“, ihre Geschichten seien „auf das Wesentliche reduzierte Lebensverläufe“. Das Problem dabei ist, dass diese beiden Stilelemente nur dann wirken können, wenn sie sich nicht gegenseitig behindern. „Anton und Antonia“, die Geschichte einer Österreichischen Familie im 20. Jahrhundert, leidet an genau diesem Konflikt. Die Sätze sind meist simpel gehaltene Hauptsätze, deren Unverbundenheit und unnötige Kürze den Lesefluss immer wieder stören, die konsequente Kleinschreibung trägt ihr übriges dazu bei. Diese Störungen fördern aber auch die Handlung des Textes nicht, da der unprätentiöse Erzählton eben gar nicht erst versucht, eine ,Stimmung‘ zu schaffen, die es zu stören wert wäre. Die bloße Banalität der Existenz bleibt in diesem Fall für den Leser zurück, der sich aber – und hier widersprechen sich beide Ansätze – durch die scheinbar objektive Erzählweise erst gar nicht mit dieser auseinandersetzen will.

Besser funktioniert ein Teil dieses Prinzips in der namensgebenden Geschichte „wir sind idioten“. Hier gibt sich die Erzählerin eben nicht scheinbar objektiv, sondern erklärt den Text zum Rachefeldzug gegen den neu verliebten Expartner. Dieser Perspektivenwechsel und die in diesem Fall verwendeten längeren, aneinandergereihten Sätze erlauben eine subjektiv-assoziative Schreibweise, die teilweise dem Stil des letzten Buchs Wolfgang Koeppens nacheifert. Allerdings sind einige der Assoziationen der angeblich ja nie gewollten Stimmung des Textes abträglich. Verbindungen wie „der kuckuck übt rufend den ernstfall […] und ich nicht in der lage zu bauen ein wolkenkuckucksheim obwohl himmelfahrtskommando“ oder „wie das leben sich liest vom ende her als nebel und in meiner abwehr ist eine abkehr“ sorgen für ungewollt komische Momente in dem sonst so von den Themen Melancholie und Alkohol durchsetzten Text. Glücklicherweise finden sich zwischen Assoziation und Dissoziation auch Aneinanderreihungen wie „diese sklavenjäger und dann wollen sie auch noch keine angst vor dem aus haben … gackern und gackern als käme um die ecke der fuchs […] aber im weltall die gedärme untersuchen für abenteuerreisen auf den mars … ich saufe und bin sternhagelvoll ohne diese raketen … und aus mein traum“.

Je mehr also der angekündigte Vorsatz, keine stimmungserzeugenden Techniken zu verwenden, zurücktritt, desto mehr kann ebendiese Stimmung von den Assoziationen und Aneinanderreihungen profitieren. Warum allerdings eine stets abweichende Syntax verwendet wird, bleibt offen. Wenn sich Satzkonstruktionen wie „keine strategisch eingesetzte rhetorik ich benötige zu kontrollieren das, was aus mir spricht“ wiederholen, dann spricht das für die geschickte Reflektion der Erzählerin, eine Wirkung entwickeln solche Sätze aber schon aufgrund ihrer Häufigkeit nicht mehr.

Der letzte Text, ein Fragment von gerade einmal sieben Seiten, behandelt ebenfalls die Geschichte eines Paares, macht den Satzbau betreffend einiges besser als der erste Text, die angedeutete Handlung erschöpft sich aber in der Feststellung, das beide Partner in der Ehe nicht bekommen, was sich sich erhofft hatten. Immerhin, das Wort „Handlung“ deutet bereits an dass es eine literarische Erzählweise in diesem Text gibt und die Erzählerin auch eine gewisse Subjektivität zulässt. Leider ist das, was sich hier abseits unpassender Assoziationen und Star-Wars-Grammatik zeigt, zu stark verkürzt, um einen narratologischen Effekt – also wieder „Stimmung“ – erzeugen zu können.

Wo Pock sich mit ihren Texten zwischen Assoziation und Dissoziation bewegt und die Verknappungen den Text durch Andeutungen bereichern zeigt sich, dass die beiden letzten Texte in „wir sind idioten“ durchaus lesenswerte Passagen aufweisen. Leider allerdings werden diese Stellen von mindestens ebenso vielen Textstellen, an denen das eigene literarische Konzept einer gelungenen Erzählung im Weg stand, begleitet. Die Folgen einer konsequenten Anwendung dieses Konzepts sind in den beiden die zentrale Erzählung begleitenden Texten deutlich zu sehen, die angekündigte „Verdichtung und Verknappung“ hat – frei nach Hemingway – besonders im Fall des dritten Texts eher zu Eiswürfeln als -bergen geführt.

Titelbild

Rosa Pock: Wir sind Idioten. Drei Geschichten.
Literaturverlag Droschl, Graz 2012.
93 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783854208303

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