Die süße Sinnlosigkeit des Lebens

João Paulo Cuencas munterer Roman über Spaß, Desillusionierung, Angeberei und allerlei Meta-Phänomene

Von Christof RudekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christof Rudek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Mastroianni-Tag – benannt nach dem italienischen Schauspieler Marcello Mastroianni – ist, wie der Pseudo-Lexikoneintrag zu Beginn des Romans belehrt, ein „spielerisch in Begleitung schöner Mädchen flanierend und frei von jeder Zweckbestimmung den Launen der Umstände folgend vergeudeter Tag“, in dem auch reichlicher Alkoholgenuss, „zwanghafte Selbstbeweihräucherung“ und „Anflüge von metaphysischen Krisen“ ihren Platz haben.

Von morgens halb elf, als der Erzähler Pedro Cassavas seinen Freund Tomás Anselmo aus dem Bett klingelt, bis zum Morgengrauen des nächsten Tages beschreibt der Roman mit viel Witz und Ironie die Reise seiner beiden jungen Protagonisten durch einen Tag und eine Nacht und zelebriert dabei die süße Sinnlosigkeit des Lebens, die wohl irgendwie das berühmte ‚Lebensgefühl einer Generation‘ widerspiegeln soll. Es beginnt mit gemeinsamem Alkohol- und Haschischkonsum, führt über ein Bauchtanz-Etablissement zum noblen Mittagessen in einem Grand Hotel und zur Begegnung mit dem desillusionierten alten Schriftsteller Mxyzptlk, bevor mit Pedros Freundin Maria und deren Bekannter Verônica endlich weibliche Gesellschaft dazu stößt. Es folgen Bar-, Spielhallen, Karaokebar- und Diskobesuche und zwischendurch ein Interview mit einer greisen Schauspielerin. Tomás verlebt einen guten Teil der Zeit in alkohol- und drogenbedingter Bewusstlosigkeit, hat aber nicht nur wegen mehrfacher Oralsex-Einlagen mehr Spaß als Pedro mit seiner zwanghaften Neigung zu intellektueller Großspurigkeit, die sich beispielsweise so liest: „Wir sind ein aus dem Gleichgewicht geratenes System, ein Rechteck, die Knie an der zerklüfteten Bar, nur einen halben Schritt von der Vernichtung entfernt.“ So ganz originell ist das nicht, und dass es das nicht ist, ist zugleich der Witz wie das Problem des Romans. Hier wird das ‚Alles-schon-mal-dagewesen‘ metaphysischer Desillusionierung genussvoll zur Schau gestellt, aber auch dieses Zur-Schau-Stellen ist irgendwie nicht wirklich neu.

Gegen Ende des Buches verschwimmen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit immer mehr. Pedro entflieht dem munter-sinnlosen Treiben, irrt durch die Nacht, gerät in eine High-Society-Party, begibt sich von dort mit einem tschechischen Model in ein Luxus-Hotel und begegnet schließlich Mxyzptlk wieder, der ihm Nachhilfe in Solipsismus erteilt: „Es gibt nur das, was man sieht. […] Du bist der Einzige, der existiert. Wir sind Protagonisten. Oder auch: Wir sind du, aber du bist uns nicht.“

Das könnte sich auch auf die Rolle des Erzählers beziehen, dessen Worte die erzählte Welt eines Textes ja erst erschaffen. Überhaupt ist die Selbstreflexivität des Erzählens ein wichtiger Bestandteil des Romans. Das eigentliche Geschehen wird immer wieder durch kurze Einschübe von traumartigem Charakter unterbrochen, in denen Pedro sich von einer unsichtbaren, anonym bleibenden Figur Vorhaltungen wegen seines Schreibstils gefallen lassen muss. Dass sie Pedro dabei nicht zuletzt die abgestandene Selbstbezüglichkeit seines Schreibens zum Vorwurf macht, fügt der Meta-Ebene noch eine Meta-Meta-Ebene hinzu. Aber auch das ist vielleicht nicht unbedingt der allerneueste Trick aus dem Zauberbuch postmodernen Erzählens.

João Paulo Cuenca hat mit „Mastroianni. Ein Tag“ einen vergnüglichen, virtuos-sprachwitzigen Roman geschrieben, bei dem man sich allerdings manchmal fragt, wer hier eigentlich der größere Angeber ist: Der Erzähler Pedro oder nicht doch eher der Autor selbst. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht so wichtig. Spaß macht der Roman so oder so.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Joao Paulo Cuenca: Mastroianni. Ein Tag. Roman.
Übersetzt aus dem brasilianischen Portugiesisch von Michael Kegler.
A1 Verlag, München 2013.
139 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783940666437

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