Markt, Macht, Medien

Klaus Bichler über das Image Daniel Kehlmanns

Von Jerker SpitsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jerker Spits

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie nutzt Daniel Kehlmann die Medien, um sich im österreichischen literarischen Feld zu positionieren? Welches Image will er sich selbst geben? Woraus besteht das „Produkt“ Kehlmann? Diesen Fragen über das mittlerweile 38-jährige „Wunderkind der deutschen Literatur“ ist der junge Wiener Medienwissenschaftler Klaus Bichler in seinem Buch „Selbstinszenierung im literarischen Feld Österreichs. Daniel Kehlmann und seine mediale Inszenierung im Bourdieu’schen Feld“ nachgegangen.

Ausgehend von der Feldtheorie des französischen Soziologen untersucht Bichler in seiner kurzen, knapp 140 Seiten langen Studie die Positionierung Kehlmanns im österreichischen literarischen Feld. Es gebe zwei Pole: „totale Marktanpassung“ oder „totale Anpassung an die Logik symbolischer Güter“. Bichler betont, dass Autoren sich meist zwischen diesen Polen positionieren und während ihrer Schaffensphase eine neue Position einnehmen können.

Bichler hat Interviews mit Kehlmann und Rezensionen in deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften zwischen 1997 und 2011 untersucht. Er hat dabei nicht nur österreichische, sondern auch deutsche Texte analysiert. Die Frage lautet also, ob es sich hier wirklich um eine Studie handelt, die sich auf das österreichische Feld beschränkt.

Bichler betont einige Charakteristiken des österreichischen Feldes. So herrsche innerhalb der Literaturkritik der Alpenrepublik eine dominierende Rolle der Germanistik vor. Die journalistische Literaturkritik in Österreich sei weniger stark ausgeprägt als in Deutschland. Autoreflexive und nicht-narrative Literatur sei durch staatliche Förderung stark vertreten.

Es ist fraglich ob, wie Bichler auch selbst betont, Pierre Bourdieus Theorie nicht allzu sehr in die Jahre gekommen ist. Medialisierung und Digitalisierung sind ihr weitgehend unbekannt. Auch sind die Unterschiede zwischen populärer und hoher Kultur, zwischen Markt und Kunst heute diffuser. Für Bourdieu war der Zweck der Kunst die Kunst – und nichts als die Kunst. Das kulturelle Feld stand in seinen Augen dem ökonomischen Feld gegenüber. Das Beispiel Kehlmann zeigt aber, dass ein Autor die Macht der Medien bewusst nutzen kann, um eine eigene Position auf dem literarischen Markt zu erobern, um ein bestimmtes Image von sich zu kreieren und um sich von anderen Strömungen und Auffassungen abzugrenzen.

Bichlers Studie macht deutlich, dass das Verhältnis zwischen Autor und medialer Strategie, zwischen Literatur und Medien auch von der Literaturwissenschaft mehr Aufmerksamkeit verdient. Dabei erweist sich die Ergänzung der Bourdieu’schen Feldtheorie mit den Einsichten des amerikanischen Soziologen Erving Goffman als überzeugend.

Das Kapitel über Daniel Kehlmann enttäuscht allerdings. Kehlmanns Stil und Image sind in anderen Studien bereits differenzierter und ausführlicher dargestellt (unter anderem bei Markus Gasser, „Das Königreich im Meer“). Die Charakterisierung Kehlmanns als „Erzähler mit leicht zu lesendem Schreibstil, der immer wieder Beispiele aus dem bildungsbürgerlichen Kanon verwendet“, ist nicht neu. Bichler hätte neuere Akzente setzen können – zum Beispiel in der Interpretation Kehlmanns als Kritiker moderner Kommunikationspraktiken. Auch hat Kehlmann nicht behauptet, dass der Schriftsteller und seine Kunst „unpolitisch“ sein sollten. Wohl aber hat er seine Distanz gegenüber Regietheater und Engagement betont.

Titelbild

Klaus Bichler: Selbstinszenierung im literarischen Feld Österreichs. Daniel Kehlmann und seine mediale Inszenierung im Bourdieu'schen Feld.
Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. 2013.
140 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783631644355

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