Zwischen Abbild und Neugestaltung

Über die Neuedition des „Weltspiegels“ des Basler Spitalpfarrers Valentin Boltz

Von Monika StuderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Studer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Valentin Boltz’ „Weltspiegel“ wurde auf Anregung der Basler Behörden geschrieben und im Mai 1550 unter der Regie des Autors am Weihergraben beim Basler Predigerkloster aufgeführt. Noch im gleichen Jahr erschien das Stück bei Jakob Kündig in Basel im Druck, wobei dieser Text ebenso verloren ist wie die eigentliche Spielvorlage. Allein von einer zweiten, 1551 wiederum bei Jakob Kündig gedruckten Auflage sind zwei Exemplare erhalten: ein Druck in Krakau (früher Berlin) sowie ein leicht beschädigtes Exemplar in der Basler Universitätsbibliothek.

Mit der Ausgabe des „Weltspiegels“ setzt Christ-Kutter ihre eigene editorische Tätigkeit zu den Texten des Basler Spitalpfarrers fort. Bereits 2009 hat sie Boltz’ Bibeldramen über Paulus und David sowie sein sogenanntes „Gesprächsbüchlein“ herausgegeben. Während diese Texte 2009 alle zum ersten Mal überhaupt ediert wurden, liegt vom „Weltspiegel“ bereits eine Ausgabe aus dem Jahr 1891 vor. Die Neuedition macht es sich zur Aufgabe, das Spiel mit umfassenden Kommentaren zu erweitern und auch den Holzschnitten sowie der Musik zum ersten Mal Raum zu geben. Das Buch ist somit nicht zuletzt eine umfangreiche Materialsammlung.

Es sind denn auch insbesondere die verschiedenen Kommentare und Anmerkungen, die den Wert der Ausgabe ausmachen und viele Detailinformationen zum Spiel selber und zu seiner Kontextualisierung in Basel Mitte des 16. Jahrhunderts bereitstellen. Neben Lesehilfen zu schwer verständlichen Stellen findet sich im Anhang ein ausführlicher Stellenkommentar sowie detaillierte Ausführungen zu (1) Überlieferung und Textgestalt, (2) Inhalt und Realitätsbezug, (3) Sprache und Metrik, (4) Aufbau und Form und (5) Literarischer Einordnung. Besondere Beachtung verdienen die zusätzlichen Ausführungen zur Musik im „Weltspiegel“, die in der Neuedition zum ersten Mal mit Noten abgedruckt sind und die von Klaus Jaeger ausführlich kommentiert werden.

Etwas befremdlich wirkt hingegen die Textdarbietung, obwohl diese der Darstellung in den ebenfalls von Christ-Kutter herausgegebenen „Bibeldramen“ entspricht und somit eine formal konsistente Weiterführung zu jenem Band gewährleistet. So wurden Abbildungen, Noten und Schmuckbordüren an entsprechender Stelle in den Fließtext eingefügt, was aufgrund der Menge unterschiedlicher Elemente viele Brüche mit sich bringt. Der edierte Text richtet sich in Orthografie, Zeichensetzung und sogar hinsichtlich kleiner Zeichen wie Zeigehändchen und vorangestellten Paragrafenzeichen nach der Druckausgabe, was eine große Heterogenität der Textgestaltung und ein auf den ersten Blick eher unübersichtliches Layout bewirkt. In der linken Spalte neben dem edierten Text findet sich eine sehr hilfreiche Zeilennummerierung; am unteren Ende der Seite stehen die Lesehilfen, die nicht nur für ein nicht Schweizerisches Publikum hilfreich sein können. In einer Spalte neben der Zeilennummerierung stehen die Verweise auf die Druckseiten mit der originalen Zählung nach Lage (A-V) und Blättern (jeweils j-viij mit recto/verso). Somit präsentieren sich die Seiten in der Edition in ihrer Gesamtheit als ein eigenartiger Mix aus Vorlage und Edition, bei dem es bisweilen schwierig ist, den Überblick zu behalten und sich auf die eigentlichen Inhalte des Spiels zu konzentrieren. Ein wirklicher Einblick in die Druckseite, der zum Beispiel ganz einfach durch eine vollständige Abbildung im Anhang hätte gewährleistet werden können, fehlt leider (abgesehen von der farbigen Abbildung der allerersten Seite). Den buchhistorisch interessierten Leser befremden zudem die nicht weiter kommentierten Aussagen zu den fehlenden Wasserzeichen im Basler Exemplar und er stellt sich zwangsläufig die Frage, warum man solche dann nicht wenigstens auch noch im Krakauer Exemplar gesucht hat, das den Herausgebern aber offenbar nur als Mikrofilm zur Verfügung stand. Somit lässt die Neuedition leider manche Fragen offen und fordert vom Leser auch einige Bemühungen, sich ins Layout einzulesen. Danach präsentiert sich ihm aber ein unterhaltsames Stück Schweizer Literatur, das von den Herausgebern auch in sinnvoller Weise kontextualisiert und kommentiert wird. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Aufarbeitung des „Weltspiegels“ auch dazu führen wird, dass der Text an Bekanntheit gewinnt und die beiden Auflagen zudem Eingang finden ins VD16, wo sie gegenwärtig noch fehlen.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Valentin Boltz: Der Weltspiegel.
Herausgegeben von Friederike Christ-Kutter, Klaus Jaeger, Hellmut Thomke.
Chronos Verlag, Zürich 2013.
320 Seiten, 55,50 EUR.
ISBN-13: 9783034011631

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