Der Fisch spricht – anders
Wie in SAIDs „parlando mit le phung“ aus Verzweiflung Sprache wird
Von Klaus Hübner
Besprochene Bücher / Literaturhinweise„Fisch, sei ruhig!“. So lauten die ersten, ein wenig rätselhaften Worte eines ganz und gar ungewöhnlichen Prosatextes. Denn Fische sind bekanntlich stumm, auch wenn sie aus Vietnam stammen und irgendwann einmal den Namen Le Phung erhalten haben. Ein „parlando mit le phung“, wie es der 1947 in Teheran geborene Münchner Schriftsteller SAID entwirft, kann eigentlich nichts anderes sein als ein Monolog. Le Phung spricht auch nicht wirklich. Aber er erzählt doch. Nur anders. Ohne dieses Gegenüber käme die Erinnerung des Ich-Erzählers nicht richtig in Gang. In SAIDs Kleinschreibung: „seit du le phung heißt, gehörst du zu uns, oder wir zu dir – das ist nun ohne belang. sie hat uns längst verlassen. erinnerst du dich?“ Ja, sie erinnern sich. In einem manchmal wütenden, meist aber abgrundtief verzweifelten Parlando findet der eigentlich unerzählbare Schmerz eines einsamen Mannes seinen dichterischen Ausdruck. Der Namenlose spricht: von der ersten Begegnung mit ihr, von begehrenden Blicken und lustdurchtränkten Nächten, von verliebten Reisen nach Yokohama oder Bratislava, von einer das Liebesleben verzaubernden gemeinsamen Sprache – und von ihren letzten Worten. SAID, ein genuiner Poet, findet für diese Erinnerungen einen zarten, fast magischen, den Leser rasch in seinen Bann ziehenden Erzählton, der der deutschen Sprache ungeahnte Nuancen abgewinnt. Und ganz nebenbei führt er uns eindrucksvoll vor Augen, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die nur und ausschließlich die Dichtung benennen kann. Das Glück zum Beispiel, vor allem das verlorene.
Was war das Faszinierende an der Frau, die den Erzähler kurz vor ihrem 50. Geburtstag verlassen hat? „sie hatte eine eigene sprache und brauchte die allgemeinen fertigsätze nicht. sie achtete auf ihr wort und war dennoch zu gesten fähig.“ Und er selbst? Bertolt Brechts Gedicht „Schwächen“ fällt einem ein: „Du hattest keine / Ich hatte eine: / Ich liebte“. Nein, dieser grandiose Heraufbeschwörer der existenzbestimmenden und existenzvernichtenden Macht der Liebe ist kein übersensibler deutscher Jüngling – Modisches wie „coaching“ zum Beispiel ist ihm egal, weil es den Kern der Sache nicht berührt. Er ist, auch wenn er „infarkt“ und „notoperation“ schon hinter sich hat, ein starker, ein männlicher Mann, und zugleich ist er zart und zerbrechlich und bereit, sich selbst in Frage zu stellen – jedenfalls „keines dieser aufgeklärten wesen, die auf ihre gefühlsblockade auch noch stolz sind und diese mit kant und hegel zementieren“. Trauer und Schmerz gehören zum Leben: „auch der mensch spürt oft das ende. vorausgesetzt, er hat den schmerz nicht delegiert – an ärzte und deren apparate“. Und zum Leben gehört auch die Einsicht, dass eine Frau, die wild und entschlossen ihre eigenen Wege gehen will, durch nichts aufzuhalten ist, nicht einmal durch Poesie: „hafez wird auf uns aufpassen“, meint er. „das wird er“, antwortet sie. Aber Hafez passte nicht auf. Und so „lief sie eines tages fort“. Das aber führte – auf Umwegen natürlich – zum „parlando mit le phung“. Tief berührende lyrische Prosa.
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