Rezeptionsgeschichtliche Zugabe

„Historische Gestalten der Antike“ erscheint als Supplementeband 8 zum „Neuen Pauly“

Von Stephan KrauseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stephan Krause

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zum „Neuen Pauly“, der Enzyklopädie der Antike, sollen nach der ersten nun in einer zweiten Staffel weitere sieben Bände hinzukommen. Jetzt liegen neben dem neunzehnbändigen Lexikon insgesamt acht Supplementbände vor. Band acht eröffnet die zweite Staffel und behandelt in 96 Einzelartikeln „Historische Gestalten der Antike. Rezeption in Literatur, Kunst und Musik“. Bis zum Frühjahr 2017 sollen laut Editionsplan die übrigen sechs Bände folgen.

Für die Supplementbände zum „Pauly“ wird auf deren Funktion als ergänzende und vertiefende Werke hingewiesen, die auch als autonome Lexika neben der Enzyklopädie nutzbar sind. Dennoch sind der „Pauly“ und die beiden Supplementereihen eng miteinander verbunden, etwa durch das Verweissystem in den umfangreichen Registern der Supplementebände. Zudem verweisen die Herausgeber direkt auf den Supplementeband 5, „Mythenrezeption“ (2008). Denn in beiden Nachschlagewerken werden Rezeptionslinien nachvollzogen, die von der Antike bis in die Gegenwart reichen. Es wird rezeptives Wissen über historische beziehungsweise mythische Gestalten und Narrative aufgearbeitet, das sich als literarisches, bildkünstlerisches oder musikalisches Fortwirken über mehrere Epochen hinweg zeigt.

Im Anschluss an diese Erläuterung werden die Kriterien für die Auswahl der beinahe einhundert Lemmata definiert. Nicht unbedingt angesichts der Gesamtzahl – denn was wäre das für ein Kriterium? – aber in Abwägung der rezeptionsgeschichtlichen Bedeutung der einzelnen Gestalten begründen die Herausgeber die vorliegende Auswahl: Relevant sei die „schiere rezeptive Ergiebigkeit“ einer Gestalt und damit ihre über längere Zeit beobachtbare Wichtigkeit für das kulturelle Gedächtnis. Hierbei wird interessanterweise nicht darauf eingegangen, mit welcher Bezüglichkeit dieser hochfrequente Terminus zu denken ist. Anzunehmen wäre aufgrund der Konzeption des Bandes und der einzelnen Lemmaartikel, dass dem die Vorstellung eines von der Antike her bis in die Gegenwart reichenden kulturellen Gedächtnisses zugrunde liegt, das je einzelkulturelle Ausprägungen aufweist. Dies mag auch mit in dem Hinweis stecken, die in „Historische Gestalten der Antike“ versammelten Figuren hätten die Eigenschaft „immer neue Bedeutung akkumulieren“ zu können. Dies wird durch mediale Transformations- und Modulationsprozesse begünstigt, ja angetrieben.

Dabei erweist sich die deutliche Trennung von künstlerischer und historiografischer Rezeption einer Gestalt nicht nur als methodische Anweisung, sondern dies formt das Bild jeder der Gestalten in seiner Sachlichkeit jeweils mit. Die Zugänglichkeit der Informationen in den Artikeln ist sehr gut, die Aufbereitung der zum Teil weit verzweigten und zuweilen komplizierten Rezeptionsgeschichte(n) ist äußerst übersichtlich und erlaubt einen schnellen und effektiven Zugriff. Im Zeitalter der allgegenwärtigen Internetsuche ist dies durchaus zu betonen, zumal dies gerade keine Wertung des einen oder des anderen Mediums impliziert. So besteht jeder Lemmaartikel aus einem Abschnitt A zur ‚Historischen Dimension‘, der einen konzisen Überblick über den aktuellen historischen Wissensstand zu der jeweiligen Gestalt enthält. Dem schließt sich ein ausführlicher Abschnitt B an, der nach dem Verlauf der Rezeptionslinien strukturiert ist und die Dimensionen der „Anreicherungen und Einschränkungen“ innerhalb dieser Prozesse eingehend darstellt. Hier erweist sich die eigentliche Stärke der Artikel des Bandes. Sie bilden nicht nur figuren- oder stoffgeschichtliche Längsdarstellungen, sondern berücksichtigen, sofern vorhanden, immer auch Repräsentationen, Umdeutungen und Transformationen im Bereich der Massenkultur und des Pop, wodurch zusätzliche Dimensionen sichtbar werden, die zu den geistesgeschichtlichen Rezeptionszusammenhängen hinzukommen.

Das Stichwort ‘Zugabe’ meint mithin auch den Zugewinn, den der Band 8 der Supplemente bietet und der sich fraglos im guten Sinne als Surplus erfahren und bezeichnen lässt.

Titelbild

Linda Simonis / Annette Simonis / Peter von Möllendorff (Hg.): Historische Gestalten der Antike. Rezeption in Literatur, Kunst und Musik.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2013.
592 Seiten, 199,95 EUR.
ISBN-13: 9783476024688

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