Mineralogie und Literatur

Tanja Rudtkes motivgeschichtliche Untersuchung „Herzstein und Wortkristall“

Von Stephan KrauseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stephan Krause

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tanja Rudtke nimmt in ihrer Studie mit dem (wohl auch metaphorisch gemeinten) Titel „Herzstein und Wortkristall“ den Motivbereich der Mineralogie aus literaturwissenschaftlicher Perspektive in den Blick. Rudtkes Untersuchungsgegenstand ist eine „literarische Mineralogie“, die in der Romantik einsetzt. Zentrum des Interesses sind jedoch die Nachwirkungen dieses vielfältigen Motivkomplexes in der Rezeption der deutschsprachigen Literatur der Moderne und der Gegenwart. Rudtke beginnt mit einem definitorischen Abschnitt, in dem sie ihre zentralen Begriffe diskutiert und in ihre wissenschaftstheoretischen Basis einordnet. Die Untersuchung stützt sich auf komplementäre Begriffskonzepte aus der Natur- und der Literaturwissenschaft.

Zudem findet eine epochal-ästhetische Verankerung der mineralogischen Motivik in der Romantik statt, woran sich als dritter und umfangreichster Abschnitt der Arbeit motivisch basierte Analysen zu fünfzehn deutschsprachigen Einzeltexten anschließen. Die einzige Ausnahme ist hier der Einbezug von Antonia S. Byatts Text „Die Frau aus Stein“ aus der englischen Literatur. Eine Begründung oder zumindest eine Kommentierung der gesamten Textauswahl bleibt hierbei allerdings aus. Zu fragen sei, so Rudtke, „welche strukturelle Funktion den Einzelmotiven im Text zukommt und wie sie mit weiteren Motiven aus dem Bereich verbunden werden“.

Ausgehend von dieser Problemstellung gruppiert die Autorin ihre Analysen in drei motivisch bestimmte Untergruppen. Sie bündelt ihre konzisen Beiträge zu den Einzeltexten jeweils unter den Überschriften „Der versteinerte Mensch“, „Der mineralische Raum“ und „Der einzelne Stein“, die in gewisser Weise eine Richtung der (motivischen) Interpretationen vorgeben. Rudtke bemüht sich dabei vor allem, die aus der Romantik zu den einzelnen Texten führenden – beziehungsweise von den Autoren geführten – Traditionslinien sichtbar zu machen und dies mit Hilfe ihres analytischen Basiskonzepts „literarischer Mineralogie“ zu verbinden. Mit dem Romantik-Kapitel des Buches legt Rudtke dafür eine breite Grundlage, aus der sich im dritten Abschnitt einige bedenkenswerte Erkenntnisse zu den dort verhandelten Einzeltexten ergeben.

Die teilweise kursorisch gehaltenen Analysen zu Texten wie Einsteins „Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders“ und Ransmayrs „Die letzte Welt“ oder Trakls Prosadichtung „Offenbarung und Untergang“, Georges „Algabal“, Walter Moers „Die Stadt der Träumenden Bücher“ oder auch Alexander Nitzbergs Lyrik stellt die Autorin auf jener Basis nebeneinander. Ein ihre Auswahl umgreifendes Ergebnis hält sehr allgemein zunächst die „überzeitliche Gültigkeit“ der mineralogisch basierten Motivik und die Heterogenität von deren modernen beziehungsweise gegenwartsliterarischen Transformationen fest. In der Zusammenschau ergibt sich eine Diagnose der Vielfalt des motivischen Einsatzes von Mineralischem in den betrachteten Texten, was Rudtke im Kontext der Romantikrezeption kenntlich machen kann. Dies führt im Endergebnis der Studie zu dem Verweis auf die (mehr oder minder) engen Konnexe zwischen „übergeordneten, thematischen Bereichen“ und dem „Motivfeld des Mineralogischen“, dessen „Ausprägungen“ (so der Untertitel) mit ihrer jeweiligen Symbolik vorgestellt, untereinander jedoch weniger kontextualisiert werden.

Titelbild

Tanja Rudtke: Herzstein und Wortkristall – Eine literarische Mineralogie. Ausprägungen eines Motivfeldes in Romantik, Moderne und Gegenwart.
Universitätsverlag Winter, Heidelberg, Neckar 2014.
357 Seiten, 52,00 EUR.
ISBN-13: 9783825362829

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