Goldener Glanz eines langen Sommers

In seinem Roman „Im Lichte der Vergangenheit“ erzählt der irische Autor John Banville von der verführerischen Macht der Frau

Von Gunter IrmlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gunter Irmler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die erste Liebe und der goldene Glanz eines langen Sommers: Der 15-jährige Alex ist elektrisiert, er giert nach seinem „Teufelsliebchen“ und ist total verwirrt. Ausgerechnet mit Celia Gray, der mehr als doppelt so alten Mutter seines besten Freundes, entfacht sich eine glühende Affäre. „Ich war fassungslos, wie viel Mrs. Gray riskierte. Was dachte sie sich nur dabei, wie konnte sie es wagen?“, erinnert sich der 65-jährige Ich-Erzähler Alex Cleave an seine erste Romanze vor 50 Jahren. Als Liebesnest diente ein leer stehendes, baufälliges Haus. Mit einem Skandal in der irischen Kleinstadt und einem Schock für den pubertierenden Alex endete schließlich die Amour-fou.

Das war „die einzige wirkliche Leidenschaft meines Lebens“, resümiert Alex, ein alternder Schauspieler, der schon lange auf ein neues Engagement wartet, im Rückblick. Nur noch leidenschaftslos ist Alex’ Ehe mit Lydia: „Wenn ich es recht bedenke, ist Lydia von all den Frauen, die ich in meinem Leben getroffen habe, wohl die, die ich am wenigsten kenne.“ Beide trauern seit zehn Jahren um ihre Tochter, die sich als junge Frau an den Klippen der ligurischen Küste unter mysteriösen Umständen das Leben nahm.

Für Alex völlig überraschend, flattert nun ein Filmauftrag ins Haus und er spielt neben einer attraktiven Kinogöttin die Hauptrolle in einem Streifen über den Literaturtheoretiker Vander. Während der Dreharbeiten vermutet er, dass gerade Vander der Mann war, mit dem seine Tochter damals die letzten Tage vor ihrem Tod verbrachte. Er will das Mysterium um den Tod aufklären.

Denn unwiderruflich quälend ist Alex’ Dasein nach dem Verlust der Tochter, und Banvilles Schaffen nährt sich so auch in seinem neuen Roman „Im Lichte der Vergangenheit“ wie in früheren Werken aus der Beschäftigung mit den Nachtseiten des Lebens, mit dem Sterben und dem Schmerz. Auf der Sonnenseite der Erinnerung an all die besonderen Lebenslagen leuchtet die von heftiger Begierde durchdrungene Liebesgeschichte von Alex und Celia, eine augenzwinkernd umgekehrte Version von Vladimir Nabokovs „Lolita“. Wir erfahren, wie der Autor die verführerische Macht und Sinnlichkeit der Frau feiert. Und so finden Leichtigkeit und Tragik wohl ausbalanciert ihren Niederschlag in diesem Roman.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund der unstillbaren Sehnsucht nach der Vergangenheit, der elegischen Suche nach der verlorenen Zeit wie bei Marcel Proust. Wir versinken in die späten 50er-Jahre in Irland, die Banville vor unserem inneren Auge wiedererweckt.

Dieses heiter-melancholische Spiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit gelingt dem Autor mit der zarten Bildkraft eines illusionistischen Porträtmalers und seine Metaphorik ist kostbar, er liebt Assoziationen mit der Kunst und griechischen Mythologe. Banville, geboren 1945, lebt in Dublin und erhielt den im englischen Sprachraum angesehenen Man Booker Prize und weitere Preise.

Er ist ein grandioser Stilist mit dem gewissen elitären Touch. Seine makellose Sprache wurde von Christa Schuenke brillant ins Deutsche übersetzt. Damit erzeugt der Text beim Lesen einen Sog, dem wir nur schwer widerstehen können. Und dennoch mag Banville nicht von der „hohen“ Literatur allein leben, wenn er aus Spaß an der Freude im Nebenjob auch noch Kriminalromane unter einem Pseudonym verfasst. Der vielseitige irische Romancier steht seit Jahren auf der Kandidatenliste für den Literaturnobelpreis.

Titelbild

John Banville: Im Lichte der Vergangenheit. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Christa Schuenke.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014.
336 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783462045956

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