Der Große Krieg

Zwei Ausstellungskataloge geben einen Überblick zum Ersten Weltkrieg

Von Josef BordatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Josef Bordat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren ruft Historiker als Autoren und Kuratoren auf den Plan. In vielen deutschen Städten bieten die historischen Museen Ausstellungen und Veranstaltungen zu den Bedingungen, dem Verlauf und den Folgen des „Großen Krieges“ an, verbunden mit zahlreichen Publikationen. Zwei Kataloge zeugen von den sehr unterschiedlichen Möglichkeiten einer Annäherung an den Ersten Weltkrieg.

Das Deutsche Historische Museum zeigt in der Sonderausstellung „1914-1918. Der Erste Weltkrieg“ Exponate aus der eigenen Sammlung und Leihgaben anderer Häuser, um „die europäische und globale Dimension des Kriegsgeschehens“ zu verdeutlichen. Dazu dienen Objekte, die in der „Zusammenschau einen prägnanten, informativen und abwechslungsreichen Überblick zur Geschichte des Ersten Weltkriegs ermöglichen“. In der korrespondierenden Publikation „Der Erste Weltkrieg in 100 Objekten“ wird eine Auswahl an Exponaten in Wort und Bild dargestellt.

Von Plakaten und Zeichnungen, Uniformteilen und militärischen Artefakten bis hin zu Gegenständen des Kriegsalltags wie dem „Flachmann“ oder einem Spielzeug-Feldlazarett bekommt der Leser ein breites Spektrum an sozial- und militärhistorischen Zeugnissen geboten, das die Totalität des Krieges verdeutlicht. Kein Lebensbereich war ausgenommen. Das lässt sich besonders gut vermitteln, wenn auf Eiserne Kreuze am Band ein Bund „Deutsches Taschen-Klosettpapier“ („Das ‚Allernötigste‘ für unsere Soldaten im Felde“) folgt, auf eine Beinprothese eine Spielesammlung und auf Plakate, die für Kriegsanleihen werben, noch mehr Propaganda-Plakate, unter anderen eines, das „Frauen und Mädchen“ auffordert, ihr Haar zu spenden, für Treibriemen und Dichtungen. Abgegeben werden konnte das Haar an jeder Schule; gesammelt hat das Rote Kreuz.

Exponate wie diese machen neugierig und aktivieren die heute wertvollste Ressource: Aufmerksamkeit. Sich auf Objekte zu stützen, die weitgehend zusammenhanglos präsentiert werden, allenfalls chronologisch und regional gebündelt, birgt jedoch die Gefahr, dass zwar der Schrecken des Krieges deutlich wird, seine Kontextbedingungen hingegen nicht. Am meisten haben wohl diejenigen von einem solchen Zugang zur Geschichte, die die historischen Zusammenhänge bereits kennen, die mithin die Artefakte einzuordnen wissen. Hilfreich dabei ist auch der einleitende Text des Militärhistorikers Gerd Krumeich sowie die Zeittafel und das gut sortierte Literaturverzeichnis im Anhang.

Um eine strukturierte Annäherung bemühen sich das LVR-Industriemuseum und das Ruhr Museum, die gemeinsam die noch bis Ende Oktober laufende Ausstellung „1914 – Mitten in Europa. Die Rhein-Ruhr-Region und der Erste Weltkrieg“ auf der Kokerei Zollverein konzipiert und organisiert haben. Zu zahlreichen Einzelfragen wird die regionale Dimension des Weltkriegs vorgestellt, ebenfalls sowohl militär- als auch sozialhistorisch. Zugleich gibt die Ausstellung einen Einblick in die Wirtschaftsgeschichte des Industrieraums Rhein-Ruhr. Immerhin hat die Waffenproduktion des Ersten Weltkriegs so manches Unternehmen aus dem Kohlenpott zum „Global Player“ aufsteigen lassen.

Im umfangreichen Katalog zur Ausstellung erläutern Autoren aus dem „wissenschaftlichen Team“ die Exponate und führen zudem in die einzelnen Themenkomplexe ein, die in drei Abschnitte gegliedert werden: der „Vorabend“ des Kriegs, der Krieg im Westen und die unmittelbare Nachkriegszeit. Am Ende sorgt ein Ausblick auf den weiteren Verlauf der Geschichte im 20. Jahrhundert als „Jahrhundert der Gewalt“ für die angemessene historische Einordnung des Ersten Weltkriegs.

Interessant ist vor allem die kulturhistorische Anbindung des konkreten Verlaufs der Geschichte, etwa an das Konzept der „Moderne“ oder an den Utopiebegriff. Dadurch wird die enge Verflechtung von Ideen- und Realgeschichte erkennbar, die zu Kriegszeiten in eine allgegenwärtige Propaganda kulminiert. Auch die Verzahnung von technisch-wirtschaftlicher und politisch-militärischer Entwicklung wird nachvollziehbar dargestellt.

Die beiden Ausstellungen beziehungsweise deren Kataloge bilden zwei wertvolle Beiträge zu einer zeitgemäßen niedrigschwelligen Erinnerungskultur, die allerdings droht, die großen historischen Zusammenhänge, gerade auch mit Blick auf deren anthropologische und ethische Voraussetzungen, zugunsten von leichter zugänglichen Teilaspekten aus dem Auge zu verlieren. Sind diese zudem emotional aufgeladen, geht die Darstellung auch schon mal in jene Effekthascherei über, die bereits den ‚Spotlight-Journalismus‘ in der Aufarbeitung der Gegenwart fragwürdig macht. Umso wichtiger, dass begleitende historische Essays den Kontext verdeutlichen.

Titelbild

Theo Grütter / Walter Hauser (Hg.): 1914 - Mitten in Europa. Der Erste Weltkrieg und die Rhein-Ruhr-Region.
Klartext Verlagsgesellschaft, Essen 2014.
350 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783837511475

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Deutsches Historisches Museum Berlin (Hg.): Der Erste Weltkrieg in 100 Objekten.
Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2014.
224 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783806229677

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