Aus der Sicht der Täter

Nach der Lektüre von Simon Pasternaks Roman „Tote Zonen“ bleibt man als Leser verstört zurück

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Däne Simon Pasternak, geboren 1971 und lange als Verlagslektor tätig, legt mit „Tote Zonen“ seinen ersten Roman vor. Der ist, wie so oft, ein Kriminalroman, der zuverlässig den Gesetzen des Genres folgt: Am Anfang steht ein ziemlich grässlicher Mord. Es gibt einen Polizisten, der in dieser Angelegenheit ermittelt, dabei auch immer wieder in persönliche Konflikte gerät und dem sich ein bräsiger Beamtenapparat, diverse Bösewichter und mafiöse Banden in den Weg stellen. Es passieren weitere blutrünstige Morde, es gibt einige Sexgeschichten und überraschende Wendungen. Am Schluss werden die mysteriösen Ereignisse aufgeklärt und, auch das ist keine Seltenheit, ins irgendwie Allgemeine und Schicksalhafte gehoben: „Als ich mich erhebe, ist die Welt durchsichtig geworden.“ Das Präsens als Tempus der Handlung suggeriert eine gewisse Unmittelbarkeit, die auch dadurch unterstrichen wird, dass der Polizist und Protagonist als Ich-Erzähler auftritt. So weit, so gut. Oder doch nicht?

Denn Pasternak hat durchaus den Ehrgeiz, es Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ oder Jonathan Littell und seinen „Wohlgesinnten“ gleichzutun, indem er seinen Thriller in der von der deutschen Wehrmacht besetzten Sowjetunion und damit im Holocaust ansiedelt: Ermordet wird nämlich ausgerechnet ein SS-General und Leiter einer Einsatzgruppe, und zwar von jüdischen Partisanen. Diese wiederum werden nun von dem Polizisten unter lebhafter Beteiligung seines SS-Freundes gejagt, wobei besagter Polizist feststellen muss, dass offenbar auch sein SS-Freund in den Mord verwickelt ist. Die Mordermittlung findet mitten in den Exzessen der Partisanenbekämpfung und dem damit eng verbundenen Genozid an den Juden statt, ja, ist sogar ein Teil davon. Denn auch der Polizist beteiligt sich an Morden, um seine Ermittlungen beziehungsweise seine eigene Existenz nicht zu gefährden, da man ihm vorwirft, zu lasch und mitfühlend vorzugehen.

In seiner Darstellung greift der Autor auf ordentlich recherchierte historische Ereignisse zurück, die am Ende auch brav zitiert werden: Angesiedelt sind die Ereignisse zur Zeit der „Operation Hermann“, jener sogenannten Säuberungsaktion in den Naliboki-Wäldern zwischen Lida und Minsk vom 13. Juli bis zum 8. August 1943, in der das gesamte Gebiet zur „Toten Zone“ erklärt wurde, um darin alle Bewohner zu töten oder als Arbeitssklaven ins Reich zu verschleppen. Entsprechend tauchen auch die gewissenlosen Vollstrecker des Völkermordes auf, wie Erich von dem Bach-Zelewski, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, oder der berüchtigte Oskar Dirlewanger. In epischer Breite und sprachlich nicht unambitioniert wird auch die Bombardierung Hamburgs im Sommer 1943 durch die RAF geschildert, während ansonsten die Ausführungen des Ich-Erzählers im Rahmen seiner Rolle verbleiben.

Indes, warum lässt einen die Lektüre trotzdem einigermaßen verstört und auch verärgert zurück? Der Autor zwingt uns dazu, die Mordgeschichten aus der Sicht der Täter zu erleben. Neben den Tätern, die aus Überzeugung und Mordgier agieren, steht der Polizist, den man zu seinen Handlungen zu zwingen scheint, wenn man ihm denn seine oft sentimentalen Ausführungen glauben will. So macht Pasternak den Polizisten zur sympathischen Figur. Man hofft mit ihm, dass er den Mord aufklären und den Krieg überleben wird. Die Kumpanei mit einem Nazischergen ist jedoch schwer erträglich. Die Distanzierung von ihm bleibt allein dem Leser überlassen.

Wie Tarantino und Littell versteht sich Pasternak mit seinem Kriegs- und Kriminalroman wohl als Provokateur. Man ist trotzdem froh, dass kein deutscher Autor einen solchen Roman geschrieben hat.

Titelbild

Simon Pasternak: Tote Zonen. Roman.
Übersetzt aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg.
Knaus Verlag, München 2014.
301 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783813506464

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch