Ansichtskarten und Anekdoten

Juhani Seppovaara bebildert und erzählt seine finnisch-europäische Vergangenheit

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der finnische Schriftsteller und Fotograf Juhani Seppovaara und die Grafikerin Minna Luoma sind ein eingespieltes und sehr erfolgreiches Team: Gemeinsam realisierten sie bereits fünfzehn Buchprojekte, wovon gleich vier mit dem Finnischen Buchkunstpreis ausgezeichnet wurden. Auch „Ansichten eines Lebens“, ihre aktuelle Zusammenarbeit, hätte sicher das Zeug dazu. Das im Berliner Neofelis-Verlag erschienene Buch ist eine nostalgische Reise in die Vergangenheit des 1947 geborenen Juhani Seppovaara und damit auch eine kurze Geschichte Finnlands als Teil Europas.

Doch die Erinnerungen des Autors entstammen nicht allein seiner Feder, sondern entwickeln sich anhand einer Vielzahl von Ansichtskarten, die Seppovaara verschiedenen Sammlungen entnommen hat. Aus Ansichtskarten werden Geschichten, heißt es in der ersten Kapitelüberschrift, und das ist im Folgenden Programm: Die Doppelseiten des aufgeschlagenen Buches bestehen stets aus einer Seite bunt zusammengestellter Postkartenensembles, denen eine Textseite gegenüberliegt. Die kurzen Erinnerungsskizzen des Autors werden durch die frankierten Bildcollagen zu Geschichten und zu Geschichte en miniature. Daraus ergibt sich ein ebenso wunderbar kurzweiliges Lesevergnügen, wie es auch allein schon Vergnügen bereitet, die hier präsentierten Fundstücke zu betrachten, denn Seppovaara und Luoma haben eine ganze Reihe von Kuriositäten hervorgegraben, die man nur allzu gern im eigenen Briefkasten vorfinden würde.

Die Erzählungen der „Ansichten eines Lebens“ sind weitestgehend chronologisch sortiert, beginnend mit der Herkunft und dem Kennenlernen von Seppovaaras Eltern, ihrer Hochzeit und der Kindheit des Autors in Finnland nach dem Zweiten Weltkrieg. Und zum Schluss hat nicht nur Seppovaaras Welt sich ein ganzes Stück weiter gedreht, wenn im Text mehrfach von Nachrichten via Email die Rede ist, während man im anderen Teil der Doppelseite einem beflügelten Elfenkind bei der romantisch-kitschigen Fahrt in der Schmetterlingskutsche zusehen kann. Die letzte Ansichtskarte, so lässt es sich schnell in Erfahrung bringen, stammt aus dem Finnischen Postmuseum. Denn die Aufbereitung von Seppovaares bildreicher Reise durch Zeiten und Räume hat noch eine weitere Qualität: Die Bildquellen zu den Ansichtskarten wurden sorgfältig recherchiert und in den Anhang aufgenommen, in dem sich auch die deutschen Übersetzungen zu den finnischen Postkartentexten finden lassen, sofern die kurzen Mitteilungen im Buch abgedruckt wurden.

„Ansichten eines Lebens“ überzeugt durch das vielschichtige Nebeneinander von Bildern und Texten, die nicht nur thematisch, sondern auch formal miteinander im Dialog stehen: So wie dem Schreiber von Ansichtskarten nur eine sehr eingeschränkte Textfläche zur Verfügung steht, so beherrscht auch Juhani Seppovaara die Kunst, sich kurz zu fassen. Wer dem Anspruch auf erzählerische Allmacht des Autobiographen verfallen ist, wird bei Seppovaara also sicher nicht fündig. Wer jedoch gern in Alben blättert und sich von Anekdoten unterhalten lassen mag, dem sei „Ansichten eines Lebens“ uneingeschränkt empfohlen, fast möchte man sagen ‚ans Herz gelegt‘.

Titelbild

Juhani Seppovaara: Ansichten eines Lebens.
Aus dem Finnischen übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara.
Neofelis Verlag, Berlin 2014.
191 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783943414677

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch