Stille Wasser sind tief

Über Heinrich Dieter Neumanns Roman Kriminalroman „Die Tote von Kalkgrund“

Von Thomas SwiderekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Swiderek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tjark Olsen geht es momentan richtig gut: die Geschäfte laufen prächtig, er hat mehr Geld als je zuvor und für sein Boot, das sein ganzer Stolz ist, hat er gerade einen neuen Außenbordmotor gekauft. Mit diesem kann er die nächtlichen Fahrten rüber nach Dänemark wesentlich schneller erledigen und damit sinkt auch die Gefahr, das er von den patrouillierenden Polizeibooten aufgegriffen wird. Das er junge, meist rumänische Frauen transportiert, lässt ihn ziemlich kalt. Es ist gut und leicht verdientes Geld, das sein mageres Salär aus der Arbeit in der Fischbude seiner Großmutter entscheidend aufbessert.

Simon Simonsen hatte bis vor kurzem auch alles, was ein erfülltes Leben ausmacht: er war glücklich verheiratet, besaß ein liebevoll restauriertes Segelboot und hatte sich im Laufe der Jahre eine gut gehende Firma aufgebaut. Doch dann begann alles in sich zusammenzufallen: Seine Firma gehört nun einer Hamburger Holding Gesellschaft und er darf froh sein, wenigstens noch als Betriebsleiter in seiner ehemaligen Firma arbeiten zu können. Als wäre das nicht bereits genug, verlässt ihn auch noch seine Frau und beginnt ein Verhältnis mit dem neuen, äußerst dubiosen Konrad Lambert, der fortan die Geschäfte von Simonsen Hoch-Tiefbau leitet.

Und nun ist sie tot, seine Lisa, am Strand angespült. Er muss sich damit auseinander setzen, dass die Polizei, insbesondere der alte Kriminaloberkommissar Edgar Schimmel, ihn sofort für den Mörder hält. Für diesen passt alles zusammen: seine Pleite, seine Trinkerei und seine Schmach als gehörnter Ehemann. Nur die junge Kommissarin Helene Christ scheint nicht so recht von Simonsens Schuld überzeugt zu sein und weitet die Untersuchungen auch auf den allglatten, umtriebigen Firmenchef und seine verflochtenen Geschäfte in Hamburg und an der Ostsee aus. Denn an Konrad sind nicht nur die Flensburger Kriminalbeamten interessiert, sondern auch die Abteilung  Wirtschaftskriminalität im Hamburger Landeskriminalamt. Doch bisher konnten sie ihm noch nie etwas Substanzielles nachweisen oder ihn gar verhaften. Die jetzigen Ermittlungen gegen Konrad passen den Kollegen deshalb zunächst so gar nicht, da sie befürchten, dass er durch die Mordermittlungen auf sie aufmerksam werden könnte.

So nimmt die Ermittlung sowohl gegen Simon Simonsen als auch gegen Konrad und sein Firmenimperium Fahrt auf, während die nächtlichen Überfahrten über die Ostsee nach Dänemark weitergehen, wenn auch nicht ohne Komplikationen. Denn ebenso das bisher so angenehme Leben von Tjark Olsen gerät zunehmend außer Kontrolle, als er plötzlich spurlos von der Bildfläche verschwindet. 

Dieter Neumanns Krimidebut hat sowohl Lokalkolorit als auch internationale verbrecherische Dimensionen zu bieten. Das wachsende Europa mit seinen gefallenen Grenzen bringt viele gute Entwicklungen mit sich, aber auch solche wie Menschenhandel und grenzenlose Profitgier. Dazu braucht es heute keine Metropolen mehr, das geschieht auch in kleinen, touristischen Orten, die eigentlich nur zahlende Touristen anlocken sollen. Die „Tote von Kalkgrund“ ist ein Buch für Krimifans, für Ostseeliebhaber aber eben auch für Menschen, die sich für die Kehrseiten des weltweiten Kapitalismus – mit all seinen Auswüchsen – interessieren.

Titelbild

Heinrich Dieter Neumann: Die Tote von Kalkgrund. Kriminalroman.
Grafit Verlag, Dortmund 2015.
220 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783894254544

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