Nicholas Coomann und Max Beck beschäftigen sich mit Theodor W. Adornos „Jargon der Eigentlichkeit“

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Theodor W. Adornos „Jargon der Eigentlichkeit“ (1964) gehört fraglos zu den umstrittensten Texten aus dem Repertoire der Kritischen Theorie. Während sich der Titel inner- und außerhalb der akademischen Debatte längst als ein ,geflügeltes Wort‘ verselbstständigt hat, steht diesem die Kenntnis des Inhalts diametral gegenüber. In der Forschung bestehen zahlreiche Leerstellen, es gibt nur wenig Sekundärliteratur zum Thema. Zudem hat der polemische Charakter der Abhandlung zu zahlreichen Missverständnissen und teilweise ablehnenden Reaktionen sowohl in den verschiedenen akademischen Disziplinen als auch in den Feuilletons geführt. Einige Autoren sprechen dem Text gar eine adäquate Darstellungsweise ab und behaupten, dass Adorno „Heidegger gegenüber mit dem Hammer philosophieren“ würde (Rüdiger Safranski) und der Text zu einer philosophischen „Kommunikationsverweigerung“ (Hermann Mörchen) zwischen Frankfurt und Freiburg geführt hätte.

Zumeist wird der „Jargon der Eigentlichkeit“ als eine sprachkritische Auseinandersetzung mit Martin Heidegger abgehandelt, was dem Inhalt bei Weitem nicht gerecht wird. So befasst sich Adorno etwa gleich zu Beginn mit einer „Anzahl von Leuten, die mit Philosophie, Soziologie und auch der Theologie sich beschäftigten“, die auch unter dem Namen „die Eigentlichen“ bekannt sein sollen. Gemeint sind Personen aus dem Umfeld des sogenannten „Patmos-Kreises“, einer Vereinigung mit dem Ziel religiöser Neustiftung in den 1920er-Jahren. Entgegen der verbreiteten Auffassung wird der Jargon von Adorno nicht als philosophisches Spezialproblem thematisiert, sondern markiert die Auseinandersetzung mit einem breiten gesellschaftlichen Phänomen.

Von diesem Standpunkt aus ergeben sich Anknüpfungspunkte für eine erneute, fruchtbare und vor allem interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Text. Ziel des Sammelbandes ist es, den „Jargon der Eigentlichkeit“ mit Beiträgen aus den Bereichen Philosophie, Germanistik, Soziologie, Theologie und Literaturkritik jenseits akademischer Trennlinien systematisch zu erschließen und gängige Stereotype zu revidieren.

Mit Beiträgen von Günther Anders [aus dem Nachlass], Claus Baumann, Manfred Bauschulte, Max Beck, Erika Benini, Dirk Braunstein, Nicholas Coomann, Reinhard Ellensohn, Gerhard Henschel, Christoph Hesse, Magnus Klaue, Gerhard Scheit, Richard Schuberth und Jan Süselbeck.

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Titelbild

Max Beck / Nicholas Coomann (Hg.): Sprachkritik als Ideologiekritik. Studien zu Adornos ‚Jargon der Eigentlichkeit‘.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2015.
211 Seiten, 34,00 EUR.
ISBN-13: 9783826056390

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