Mord und Bücherdiebstahl in einer der wertvollsten Büchersammlungen Europas

Donna Leon schickt in „Tod zwischen den Zeilen“ ihren Kult-Commissario Brunetti in die 23. Dienstrunde

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Tod zwischen den Zeilen“ ist mittlerweile bereits der 23. Kriminalroman der 72-jährigen Amerikanerin und Wahlvenezianerin Donna Leon, die in gewohnt charmant-unspektakulärer Weise ihren sympathischen Commissario Brunetti auf neue Verbrecherjagd in der Lagunenstadt herumschickt.

Brunetti wird gleich zu Beginn der Handlung in die Bibliothek „La Merula“ (hinter der sich die weltberühmte „Bibliotheca Nazionale Marciana“ verbirgt) gerufen, da sich dort seit geraumer Zeit Bücherdiebstähle ereignet haben und wertvolle Buchbestände durch das Herausschneiden von Abbildungen und ganzen Seiten zerstört wurden. Alles deutet auf einen vermeintlichen Gastforscher aus den USA hin, dessen Identität sich allerdings rasch als gefälscht herausstellt. Wenig später wird ein Stammleser der altehrwürdigen Bibliothek, ein ehemaliger Priester namens Aldo Franchini, in seiner Wohnung durch Fußtritte ermordet aufgefunden. Neben der übel zugerichteten Leiche des älteren Mannes, der sich seit drei Jahren fast täglich im Lesesaal der Lektüre der Kirchenväter widmete, findet die Polizei überraschenderweise einen Großteil der gestohlenen Buchbestände. Hinzu kommt, dass der Ermordete von seinem eigenen Bruder als geldgieriger und nichtsnutziger Schuft bezeichnet wird. Trotz vieler konkreter Hinweise, vielen Recherchen, die in gewohnt zuverlässiger Manier von Vicequestore Pattas Assistentin Signorina Elletra erledigt werden, und der tatkräftigen Unterstützung von Brunettis Lieblingskollegen Vianello und Griffoni, dauert es doch über 270 Seiten bis der italienische Ermittler den Fall lösen kann.

Es ist immer wieder verwunderlich, mit welcher Schnelligkeit Donna Leons Neuerscheinungen auf die obersten Plätze der Bestsellerlisten klettern. Gründe dafür gibt es aber sicherlich viele. Genannt sei zunächst die überaus große und treue Lesergemeinde, die Donna Leons Bücher in erster Linie liest, um auf dem neuesten Informationsstand von Brunettis familiären und privaten Entwicklungen zu sein. Dann jene Gruppe von Lesern, die an der erfolgreichen Krimiserie die Kultiviertheit und die unauffällige und konstante Qualität der Bücher schätzt und sich gerne, neben der Krimihandlung, vom venezianischen Flair und der italienischen Küche und Lebensart verzaubern lässt. Wer in dem neuen Roman unaufhörliche Spannung und blutrünstige Details erwartet, ist mit „Tod zwischen den Zeilen“ allerdings sicherlich schlecht beraten. Es ist kein besonders spannender oder spektakulärer Fall, den Brunetti in seiner 23. Dienstrunde zu lösen hat, aber es ist allemal ein unterhaltsames Stück Kriminalliteratur, das durch geistreiche Dialoge, italienischen Lebensstil und die bekannten sympathischen Hauptfiguren alle nötigen Ingredienzien für so manche unterhaltsame Lesestunde bereithält.

Titelbild

Donna Leon: Tod zwischen den Zeilen. Commissario Brunettis dreiundzwanzigster Fall.
Diogenes Verlag, Zürich 2015.
277 Seiten, 23,90 EUR.
ISBN-13: 9783257069297

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