Hašek pur – die Witzfigur
Die „absurden Geschichten“ des Schwejk-Autors Jaroslav Hašek zeigen einen äußerst munteren Kneipenerzähler
Von Beat Mazenauer
Unbescheiden war er nicht, Jaroslav Hašek (1883–1923), selbsternannt „der größte tschechische Autor“. Beschränkter Erfolg wie Lebenslauf lassen freilich erahnen, dass in dieser Formulierung viel Schalk und Spott mitschwingt. Im Wissen, dass die Kritik an seiner Prosa ohnehin ungünstig ausfalle, lobte sich Hašek gleich selbst. Denn es sei nicht zu bestreiten, bemerkt er in einem „Vorwort“ von 1920, „dass ein Mensch, der etwas geschrieben hat, diesem sicherlich näher steht als irgendein abseitiger Kritiker“.
Hašek ist landläufig bekannt als Erfinder des weltberühmten Soldaten Schwejk. Dabei wird gerne vergessen, dass dieser anekdotisch angelegte Roman unvollendet geblieben und erst nach dem frühen Tod des Autors in Buchform erschienen ist. Die lange Prosa war im Grunde nicht seine Stärke, er neigte mehr zur hektischen Produktion von kurzen humoristischen Texten, die keine langwierige Überarbeitung benötigten. Im Nachwort zur Auswahl seiner absurden Geschichten schreibt der Herausgeber Antonín Brousek: „Allzu häufig findet der Autor eine schnelle Lösung für den Ausgang der Geschichte“, um gleich einem neuen grandiosen Einfall zu verfallen. Rund 1500 längere und kürzere Texte hat Jaroslav Hašek hinterlassen, von sehr unterschiedlicher Qualität und zu unterschiedlichen Anlässen verfasst. Nach dem kurzen Intermezzo als Redakteur der Zeitschrift „Svět zvířat“ (Die Welt der Tiere) bestritt er seinen Lebensunterhalt weitgehend mit Texten, die unter verschiedensten Pseudonymen in den unterschiedlichsten Prager Zeitungen abgedruckt wurden – wenn’s ging, gleich gegen Barzahlung. Der unstete Lebenswandel zwang ihm die Kurzgeschichte förmlich auf, und der „ärztlich festgestellte Alkoholkonsum von fünfunddreißig halben Litern Bier pro Tag“ forderte nicht nur gesundheitlichen Tribut. Nicht selten entstanden die Texte gleich in der Kneipe in bierseliger Gesellschaft.
Und dennoch: Hašeks beste Kurzprosa ist nicht nur der heitere Spass eines begnadeten Fabulierers, sie gibt auch Zeugnis eines Menschen, dem die Lust an der Welt abhanden zu kommen schien. Die neu zusammengestellte Auswahl ist, wie der Herausgeber schreibt, ein „kleines Medikament gegen die tägliche Traurigkeit der Welt“. Die gut 50 Texte rücken Hašeks Temperament und Talent ins beste Licht.
Witzige Anekdoten, humorige Schnurren und böse Satiren wechseln sich ab. Häufig basieren sie auf persönlichen Erfahrungen. Alltägliches im Prager Vinohrady-Quartier wird mit humoristischem, manchmal auch leicht nostalgisch getöntem Gespür eingefangen. Die Textfolge „Glückliches Heim“ gibt ironischen Einblick in Hašeks kurze Ehe. Und die Serie mit dem Titel „Kommandant der Stadt Bulguma“ erzählt vom drôle de guerre, in den Hašek als Politkommissar der roten Armee 1918 in Sibirien verwickelt war.
Bei allem Humor lassen seine Geschichten doch immer wieder tief blicken. Auch wenn etliche Geschichten nicht verhehlen, dass sie vor einem Jahrhundert entstanden, haben einige doch erstaunliche Aktualität bewahrt. Die erwähnte Folge „Glückliches Heim“ erinnert – höchst ironisch gewendet – an beliebige moderne Lifestyle-Blogs, und die Reiserzählung „Das magyarische Meer“ liest sich vor dem Hintergrund der engstirnigen Politik Orbans wie ein sarkastischer Kommentar auf den ungarischen Nationalismus. Es gibt nirgends mehr Wasser aufeinander gehäuft als beim Balaton (Plattensee), behaupten demnach die Bewohner von Somogy. „Nem lehet, nicht möglich, dass es ein größeres Meer gibt“, rufen sie im Chor. Wer am Weltatlas geschult mit globaler Logik dagegen argumentiert, kriegt umgehend eins auf die Rübe.
Immer wieder und immer von neuem liebt es Hašek, in seinen absurden Geschichten die herkömmliche Logik argumentativ zu zersägen. So in einer Selbstbeweihräucherung, in der er schreibt, „dass Bescheidenheit dem Manne zur Zierde gereicht, dass ein wahrer Mann aber keiner Zierde bedarf, so dass wir nicht allzu bescheiden sein sollten“ – wir, also Hašek. Im guten Witz sind die Abgründe zu erahnen. Das zeigt der die Auswahl abschließende Text „Wie ich gestorben bin“ von 1920. Verzweifelt ist das „arme Seelchen von Jaroslav Hašek“ auf der Suche nach einem Dokument, das offiziell bezeugt, „dass ich gestorben bin“. Weder als anonymer Infanterist noch als besoffener Prügler erhält er jedoch namentlich Eingang ins Himmelreich. So dauert es, bis „Hašek pur – die Witzfigur“ endlich seinen Frieden findet und sich hinter ihm „das Meer der Ewigkeit“ schließt.
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