In der Sprache der Vernichtung

Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der deutschsprachigen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur

Von Waltraud StrickhausenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Waltraud Strickhausen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Martin Walsers Friedenspreis-Rede vom Herbst letzten Jahres, die Reaktion von Ignatz Bubis und die sich daran anschließende Debatte haben die grundlegende Bedeutung und Problematik sprachlichen Handelns im öffentlichen Diskurs einmal mehr in den Blickpunkt gerückt. Das Ungenügen der Begriffe, die Tatbestände häufig mehr verschleiern und verharmlosen, als daß sie sie eindeutig benennen würden, und die herrschende Unsicherheit sind Indizien für das Vermeiden einer direkten Konfrontation mit dem Genozid an den europäischen Juden und anderen ethnischen, religiösen oder als 'unwertes Leben' deklarierten Minderheiten - ein Genozid, der vom bürokratischen und technischen Organisationsgrad und dem zugrundeliegenden ideologischen Fanatismus her einzigartig ist. Umgekehrt macht die Debatte deutlich, wie sehr die Wahrnehmung dieses Geschehens durch Begriffe, Konventionen und Perspektiven des Berichtens und Erzählens beeinflußt wird. Wenn ich beispielsweise von 'Schande' spreche, habe ich vor allem die eigene Person im Blick, die vor den anderen in einem schlechten Licht dasteht. Der Begriff der 'Schuld' dagegen impliziert von vorneherein ein Gegenüber, an dem ich schuldig geworden, dem ich etwas schuldig bin. Die verfügbaren Begriffe, sprachlichen Muster und Redewendungen kanalisieren unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, strukturieren unser Denken und beeinflussen damit auch das Handeln im privaten wie im politischen Leben.

Mit dem Deutschen als Sprache der Vernichtung, d.h. den in die Sprache eingegangenen und von ihr weitertransportierten Denkschablonen der NS-Zeit, wie auch dem verharmlosenden, persönlicher Verantwortung ausweichenden Sprechen über den Holocaust in der Nachkriegszeit und den sich daraus ergebenden poetologischen Konsequenzen für die deutschsprachige Literatur seit 1945 setzen sich die Beiträge des Sammelbandes "In der Sprache der Täter. Neue Lektüren deutschsprachiger Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur" auseinander. Das Buch, herausgegeben von Stephan Braese, basiert zum größeren Teil auf den Referaten eines wissenschaftlichen Kolloquiums, das vom Franz-Rosenzweig-Forschungszentrum für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem veranstaltet wurde.

Grundlegend für die gesamte Diskussion erscheint mir der Eingangsbeitrag von Dan Diner "Der Holocaust im Geschichtsnarrativ - Über Variationen historischen Gedächtnisses". Diner geht den prinzipiellen Unterschieden in der "historiographischen Bewältigung des Holocaust" von Seiten jüdischer und nicht-jüdischer Historiker nach. Sein Ausgangspunkt ist die Frage nach der Wirkung gruppen- bzw. kulturspezifischer kollektiver Gedächtnisinhalte und Erzähltraditionen auf die von ihnen angeleiteten Geschichtskonstruktionen der historischen Fachwissenschaft. Zwei Momente gegenläufiger Erinnerung, die gleichwohl miteinander verschränkt seien, ließen sich in der historiographischen Repräsentation des Holocaust ausmachen: zum einen in der Gestalt von Narrativen, zum anderen in der Anlage unterschiedlicher Periodisierungen. Die historiographischen Repräsentationen nehmen, so Diner, auf beiden Seiten den Charakter eines strafrechtlichen Argumentationsdiskurses an, wobei die "streithafte Entgegensetzung von langer versus kurzer Erinnerung signifikant" sei. Während aus der Perspektive der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus die Ursachen in der jahrhundertealten Tradition von Antijudaismus und Antisemitismus gesehen werden und damit in dem gerichtsförmig angelegten Geschichtsdiskurs auf intentionales Handeln und Schuld plädiert werde, rücke die Gegenseite tendenziell Umstände ins Zentrum der Argumentation, die auf kurzzeitiges Erinnern angelegt seien - beispielsweise ökonomische Faktoren, die vom Antisemitismus und damit auch von den jüdischen Opfern wegführten. Hier werde quasi auf Fahrlässigkeit plädiert. Die Differenzen zwischen der 'jüdischen' und der 'deutschen' Gedächtniskultur wirken sich in den Rekonstruktionen der Verursachungsgeschichte des Holocaust, Diner zufolge, im Gegensatz zwischen einer 'jüdischen' Makro- und einer 'deutschen' Mikro-Perspektive aus, so daß auf der einen Seite die Monstrosität des Geschehens, auf der anderen nur das Triviale und Alltägliche, die Banalität in den Blick genommen werde.

Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Perspektiven jüdischer und nicht-jüdischer Autoren bestimmt auch insgesamt die Anlage des Sammelbandes. Neben einem weiteren allgemeineren Beitrag von Moshe Zuckermann über Adornos Lyrik-Begriff, an dem lyrische Texte verschiedener Autoren der Nachkriegszeit kritisch gemessen werden, behandeln die folgenden neun Einzelstudien Werke von Autorinnen und Autoren, die chronologisch von der Zeit unmittelbar nach Kriegsende bis in die Gegenwart reichen. In unterschiedlicher Weise wird die Frage reflektiert, inwieweit die Autoren in diagnostischer Absicht vorgefundene sprachliche Muster einer kritischen Prüfung unterziehen, inwieweit sie nach neuen Ausdrucksmitteln suchen, um den Gefahren der Klischeebildung und der Erstarrung im Formelhaften zu entgehen.

Während die Beiträge dieses Bandes einen speziellen Aspekt, eben die Problematik der Sprache fokussieren, geht ein zweiter im Herbst 1998 erschienener Tagungsband, "Deutsche Nachkriegsliteratur und der Holocaust", die Thematik in einer allgemeineren Perspektive an. Expliziter Ausgangspunkt ist auch hier die Unvereinbarkeit der Erfahrungen von Verfolgten des NS-Terrorsystems und der Mehrheit der Deutschen. Die Mehrzahl nicht-jüdischer deutschsprachiger Autoren nach dem Zweiten Weltkrieg habe - so die Herausgeber Stephan Braese, Holger Gehle, Doron Kiesel und Hanno Loewy - versucht, diese Differenz zu ignorieren, durch Leugnung wie durch die "Einübung einer umfassenden Opferrede". Das "Gegenüber" von jüdischen und nicht-jüdischen Autoren sei nicht zuletzt darin begründet, daß nicht-jüdischen Schriftstellern ein eigenes Erfahrungs- und Anschauungskontinuum vom Vernichtungsprozeß fehle. Das Symposium in der Evangelischen Akademie Arnoldshain im März 1997 stellte einen ersten Versuch dar, einen repräsentativen Querschnitt durch vier Jahrzehnte deutschsprachiger Nachkriegsliteratur zu geben.

In "Sprache der Täter" widmet sich der Herausgeber selbst eingehend Irmgard Keuns satirischen Texten der frühen Nachkriegsjahre, in denen die Alltagssprache der Deutschen mit ihren unbeschadet wiederkehrenden nazistischen Phrasen und Ideologemen als Symptom der aktiven Rolle des deutschen Durchschnittsbürgers beim Erfolg des NS-Regimes und als Medium der Vernichtungspolitik entlarvt wird. So wie Keuns poetische Erinnerungsarbeit, die keine Konzessionen an das Publikum macht, in der frühen Bundesrepublik nur als Außenseiterposition wahrgenommen wurde und bald in Vergessenheit geriet, mußte auch ein DDR-Autor der 60er Jahre seine aus dem eigenen Erleben als Angehöriger der deutschen Wehrmacht motivierte Auseinandersetzung mit dem Vernichtungsgeschehen den literaturpolitischen Bedingungen seiner Zeit anpassen. Holger Gehle zeichnet dies anhand der Entstehungsgeschichte von Johannes Bobrowskis Roman "Levins Mühle" nach. Seinen Befund bestätigt und ergänzt Susanne Klockmanns Darstellung der Rezeption von Franz Fühmanns Erzählung "Das Judenauto" in "Deutsche Nachkriegsliteratur und der Holocaust". Auch in "Levins Mühle" steht, wie Gehle aufzeigt, die Sprache selbst auf dem Prüfstand, wird über das Sichtbarmachen antisemitischer Tendenzen in alltäglichen Floskeln und beiläufigen Wendungen eine Verständigung über die Reichweite antisemitischer Prägungen in Sprache und Verhalten bis hinein in die sozialistische Gegenwart zumindest angestrebt.

Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Perspektiven jüdischer und nicht-jüdischer Autoren wie auch ihre Abhängigkeit von der zeitlichen Distanz zum Geschehenen wird von Jakob Hessing exemplarisch an den Beispielen eines frühen, 1948 unter Pseudonym publizierten Textes von Wolfgang Koeppen und Ruth Klügers Autobiographie "weiter leben. Eine Jugend" (1992) demonstriert. Die unterschiedlichen Herangehensweisen zeigen sich, nach Hessings Analyse, in einem verklärenden Idealbild des "guten" Juden, mit dem der nicht-jüdische Autor Koeppen das Thema einer weiteren kritischen Auseinandersetzung entrückt, und einem differenzierteren Bild von Opfern, "Freigebliebenen" und Tätern aus der Sicht der Betroffenen. Klüger, die mit einem Abstand von 50 Jahren ihre verdrängten Erinnerungen an die Leidenszeit im KZ thematisiert, bezieht dabei die Leser in die Schwierigkeit des Erinnerns ein und setzt ihre gegenwärtigen Erfahrungen mit Deutschen zur Vergangenheit in Beziehung. Ein spannender Kontrast ergibt sich auch hier wiederum, wenn man im anderen Band Ruth Klügers eigene Interpretation von Koeppens Text nachliest, die - zugespitzt in dem Begriff "Legende vom verzeihenden Juden" - noch sehr viel schärfer die Mystifizierung des historischen Ereignisses in der "Täterphantasie" und deren Selbstbestätigungsfunktion herausstellt.

Darstellungsformen, die gewohnte Sehweisen und Haltungen bewußt (zer-)stören, indem sie Tabus brechen oder sich der gewohnten Einordnung in die Kategorien von Dokumentation und Fiktion entziehen, diskutieren in dem Band "In der Sprache der Täter" auch Rachel Perets in einem Beitrag über George Taboris Stück "Die Kannibalen" und Jürgen Nieraad in seinem Vergleich von Alexander Kluges "Liebesversuch" mit den Textmontagen in Heimrad Bäckers "nachschrift".

Schließlich werden dem Leser hier Texte aus den späten 80er und 90er Jahren vorgestellt, die die Erfahrung des Holocaust thematisieren. Mit George Arthur Goldschmidt und Esther Dischereit begegnen uns zwei jüdische Autoren der ersten und zweiten Generation, die entsprechend ihren unterschiedlichen Erfahrungshorizonten verschiedene poetische Strategien entwickelt haben. Alfred Bodenheimer macht in seiner Analyse der autobiographischen Werke Goldschmidts darauf aufmerksam, daß dieser mit seiner Präsentation des gequälten Kindes explizit an eine literarische Tradition anknüpfe, die bis zu Karl Philipp Moritz' "Anton Reiser" zurückreichte. Hierdurch werde die Ausbeutung und Dressur des von der Deportation bedrohten Jungen in den Kontext des Erziehungssystems des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eingeordnet, das auf Züchtigung und Verdrängung basierte, d.h. die tödliche Bedrohung wird als äußerste Konsequenz eines auf der Entwertung des Individuellen beruhenden Systems gesehen. Goldschmidts Erzählen einer Kindheit ziele darauf ab, den Leser zum Zuschauer, Zeugen und Komplizen der körperlichen und seelischen Qualen wie auch der vermeintlichen und tatsächlichen Schuld des Jungen zu machen. Auf diese Weise werde der Leser moralisch in die Pflicht genommen. Die Romane, Hörspiele und Gedichte der 1952 geborenen Esther Dischereit hingegen zeichnen sich, Itta Shedletzky zufolge, durch die konsequente Erarbeitung einer eigenen Sprache und Poetik aus. Auf der anderen Seite werden W. G. Sebalds Erzählband "Die Ausgewanderten" in einem Beitrag von Sigrid Korff und der Roman "Morbus Kithara" des Österreichers Christoph Ransmayr von Amir Eshel als gelungene Versuche von nicht-jüdischen Autoren der zweiten Generation gelesen, über die Opfer des Nationalsozialismus zu sprechen, ohne in eine unangemessene Identifikation mit ihnen zu verfallen. Bei beiden werde in unterschiedlicher Weise der Versuch unternommen, die "anonymisierende Darstellung der Shoah, hinter der die alltägliche Ausgrenzung verschwindet" aufzubrechen und den unwiederholbaren, unverwechselbaren Einzelfall ins Zentrum zu rücken.

Der Band "Deutsche Nachkriegsliteratur und der Holocaust" ist in drei Teile untergliedert: "Kanon", "Autoren" und "Diskurse/Einreden". Unter dem Stichwort "Kanon" steht die kritische Re-Lektüre von Werken, die allgemein als 'Klassiker' der Holocaust-Literatur betrachtet werden: vom "Tagebuch der Anne Frank" über Peter Weiss' Dokumentarstück "Die Ermittlung" bis hin zu Jurek Beckers "Jakob der Lügner". Die 'Kanonisierung' dieser Texte in Form einer breiten öffentlichen Diskussion, hoher Verkaufszahlen und ihres Eingangs in Anthologien und Schulbücher ist keineswegs immer Ausdruck einer tatsächlichen, das eigene Handeln mitreflektierenden Auseinandersetzung, sondern spiegelt im Gegenteil die verschiedenen Formen und Mechanismen der Verdrängung wider. Dies machen u.a. ein Aufsatz von Hanno Loewy über die "Universalisierung" Anne Franks, ihre Vereinnahmung als Symbol menschlichen Leidens schlechthin, die ihre Vernichtung vollende, wie auch die Analysen der Rezeption von Franz Fühmanns "Das Judenauto" in der DDR der 60er Jahre und Ruth Klügers Autobiographie "weiter leben" im Deutschland der 90er Jahre (Irene Heidelberger-Leonard) deutlich. Der Terminus Kanon ist deshalb, wie Heidelberger-Leonard darlegt, als Indikator für geschichtliches Bewußtsein, in diesem Kontext also als "Zeugnis für den letzten Stand des in Deutschland vorherrschenden Auschwitzdiskurses" zu verstehen.

Im zweiten Teil werden Autoren besprochen, deren Werke (noch) nicht in dem Maße Eingang in den Auschwitz-'Kanon' gefunden haben, wie etwa Edgar Hilsenraths "Nacht", bzw. sich dem Thema der Massenvernichtung entweder in einer verengten Perspektive (Heinrich Böll) oder in Form einer Poetik der Aussparung, der Indirektheit (Ingeborg Bachmann) nähern. Unter den Stichworten "Diskurse/Einreden" schließlich geht es um grundlegende Debatten der letzten Jahrzehnte, an denen der jeweilige Stand des gesellschaftlichen Bewußtseins im Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem Holocaust ablesbar ist. Solche Debatten sind zum Teil von Einzelnen ausgegangen - so beschäftigt sich hier Burkhardt Lindner mit der Bedeutung von Adornos Formel "nach Auschwitz" -, zum Teil Ausdruck der Befindlichkeit einer ganzen Generation, wie Jochen Vogt am Beispiel der sogenannten "Väterliteratur" aufzeigt. Besonders interessant ist der Aufsatz von Hannes Stein über die neue deutschsprachige jüdische Literatur von Autoren wie Barbara Honigmann, Maxim Biller, Gila Lustiger, Robert Schindel, Robert Menasse und anderen.

Zwischen den beiden Bänden bestehen, wie schon angedeutet, zahlreiche Querverbindungen, sowohl was die besprochenen Autoren und Werke anbelangt als auch die sich dabei ergebenden thematischen Schwerpunkte. Besonders wichtig erscheint mir die in verschiedenen Kontexten und aus verschiedenen Perspektiven diskutierte Problematik der Erstarrung des Erinnerns in kollektiven Schablonen. Solange der Diskurs zwischen der 'deutschen' und der 'jüdischen' Seite immer noch um die Frage von Schuld und Fahrlässigkeit kreist, womit sich die Täterseite zu entlasten sucht, wird ein für beide Seiten fruchtbarer Dialog verhindert. Das hier sogenannte "Gutheitsgebot", demzufolge eine differenzierte Darstellung der jüdischen Opfer vermieden wurde, um den Tätern kein 'Entlastungsmaterial' zu liefern, hat als Kehrseite zu philo-semitischen Stereotypisierungen und einer Festschreibung der jüdischen Opferrolle geführt. Daß die Einhaltung dieses Gebots überdies eine die Täter entlastende Darstellung keineswegs ausschließt, zeigen z.B. die kritischen Analysen von Wolfgang Koeppens "Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch". Ruth Klügers Angebot zu einem kritischen Dialog, in dem ein Verständnis der gemeinsamen Geschichte gerade unter Wahrung der Alterität der jeweiligen Positionen gemeinsam erarbeitet werden könnte, ist in der öffentlichen Rezeption ihres Buches weitgehend ignoriert worden. In der den Auschwitzdiskurs lange Zeit beherrschenden notwendigen moralischen Grundsatzdebatte mußte die individuelle Realität des Geschehens zwangsläufig in den Hintergrund treten. Gerade diesen individuellen Bezug suchen jedoch jüdische wie nicht-jüdische Autoren der jüngeren Generation. Junge Juden sind, wie Hannes Stein schreibt, der doppelten Unmöglichkeit ausgesetzt, sich mit dem Leid ihrer Eltern zu identifizieren oder einer solchen Identifizierung zu entrinnen. Vielleicht nicht im gleichen existentiellen Ausmaß, aber doch grundsätzlich trifft diese Diagnose auch für die nachgeborenen nicht-jüdischen Deutschen zu. Ohne eine (selbst-)kritische Aneignung auch der dunkelsten Periode im Leben der eigenen Eltern und Großeltern bleibt die eigene Identität prekär. Soll die Auseinandersetzung mit dem Ereignis der Shoah nicht in kollektiven Schablonen erstarren und steril bleiben, kann Erinnerungsarbeit, insbesondere von den nicht mehr selbst betroffenen Generationen, nur in einem offenen, aneinander interessierten, Widersprüche und Konflikte aushaltenden Dialog zwischen der jüdischen und nicht-jüdischen Seite geleistet werden.

Die in den beiden Bänden versammelten Analysen spiegeln die Schwierigkeit wider, für die Erfahrung der Shoah eine Sprache zu finden, die diese Erfahrung kommunizierbar macht, ohne sie in den Bereich des Alltäglichen und Trivialen zu verfälschen oder sie sich in pathetischer Überhöhung vom Leibe zu halten. Die vorgestellten (Re-)Lektüren literarischer Texte der Nachkriegszeit dokumentieren gelungene Versuche einer solchen Gratwanderung ebenso wie die möglichen Abstürze. Sie zeigen auch, daß gerade die poetische Sprache das Potential in sich birgt, aus dem Rahmen festgelegter Begriffsbedeutungen und Sprachschablonen auszubrechen und dadurch der erlebten Wirklichkeit der Ereignisse näherzukommen. Je mehr ihr dies gelingt, desto schwieriger wird es aber für den Interpreten, die Wirkung des Textes in eine wissenschaftliche Beschreibungssprache zu übersetzen.

Titelbild

Stephan Braese / Holger Gehle / Doron Kiesel (Hg.): Deutsche Nachkriegsliteratur und der Holocaust.
Campus Verlag, Hamburg 1998.
417 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3593360926

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Titelbild

Stephan Braese (Hg.): In der Sprache der Täter. Neue Lektüren deutschsprachiger Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur.
Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1998.
255 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3531131761

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