Kein Schwanz am Fisch

Ingo Schramms literarischer Tiefflieger "Die Feigheit der Fische"

Von Tobias RütherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Tobias Rüther

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Geschichte ist schnell erzählt: Da reist ein zweitklassiger, alternder Schauspieler namens Neulich mit dem Flugzeug von Paris nach Rom zum nächsten Dreh. An Bord missachtet er das Verbot der Stewardess und spielt Musik auf seinem tragbarem CD-Spieler. Irgendwo über der Côte D'Azur stößt der Airbus beinah mit einem Kampfjet zusammen. Die Fluggesellschaft beschuldigt Neulich zunächst, er habe den Zwischenfall verursacht, lässt aber bald von diesem Vorwurf ab. Neulich hingegen verfällt der fixen Idee, hier handele es sich um Verschwörung und Vertuschung. Er glaubt felsenfest, bei dem Jet habe es sich um eine russische MIG gehandelt. Seine Recherchen treiben ihn in die Verwahrlosung, und er übergibt sein Material schließlich dem abgehalfterten Journalisten Ehrig. Der wittert die Story seines Lebens. Ehrig deckt Unerhörtes auf, geheime Testflüge der Bundeswehr, Flugfehler, Rüstungskriminalität, hohe Politik in Verruf. Neulich, der Schauspieler, nunmehr rehabilitiert und bestätigt, kehrt ins Fernsehdasein zurück und nimmt.

Es klingt wie eine Weltpremiere im deutschen Privatfernsehen, und ist doch Ingo Schramms vierter Roman. Schramm, gelobt vor Jahren für sein Debüt "Fitchers Blau", etwas weniger geschätzt für den Nachfolger "Aprilmechanik", unterbietet mit "Die Feigheit der Fische" sein eigenes Niveau derartig, dass sich die Frage aufdrängt, wer nur diesen Text zu verantworten hat. In wahllos ausgedachten Nebensträngen spult Schramm seine hanebüchene Geschichte ab. Er lässt darin bloße Pappkameraden auftreten, deren Stimmen ununterscheidbar durcheinanderplappern, gleichgültig, ob nun ein Minister, eine Regieassistentin oder ein Pilot spricht. Eine Prosa, wie von Tex Rubinowitz gezeichnet: "Albert Schweitzer ist tot, okay." und "Frau Schettler, vor ihnen steht der gläserne Mensch.". Manchmal hört man sogar Peter Maffay singen: "In jedem Killer steckt ein Poet." Und wenn es von vorn losgeht, "stehst du wieder vor dem Nichts. Du glaubst, es ist ein Teufelskreis, auch das ist falsch. Alles, was du glaubst, ist falsch, du kannst nichts tun, wenn du nichts tust." Abgedroschene Bilder - "Seine Schwanzfedern wackelten wie der Po von Marilyn."-, sachlich fragwürdige Szenerie - "Monika schmiss die Wohnungstür dermaßen zu, dass ich nicht hören konnte, ob sie heulte."- , ungelenkes Deutsch - "Jens zeigte ihr den Griff mit dem Genick brechen."- und lauer Wortwitz - "Ich schlug die Inspiration nieder und den Kragen meiner Jacke hoch."- stimmen den Leser verdrießlich.

Der wohlmeinende Verdacht, verfranste Komposition wie verquaster Stil seien gewollt, ja gewissermaßen ironische Brechung, hält nicht lange vor. "Die Feigheit der Fische" gibt sich als Enthüllungsroman, bemüht, alles erdenkliche zu "entlarven": die Scheinwelt der Medien, die Geschlechterverhältnisse, den Technikwahn und die schmutzige Politik. Allenfalls in den wenigen Passagen, die sich dem Innenleben des Verteidigungsministers widmen, schimmert Ingo Schramms erzählerisches Vermögen durch. Der Ton beruhigt sich, die Figur gewinnt an Halt. Ansonsten gilt: "Es war kein Schwanz an dem Fisch." Auch kein Salz in der Suppe und kein Roman zwischen zwei Buchdeckeln.

Titelbild

Ingo Schramm: Die Feigheit der Fische.
Luchterhand Literaturverlag, München 2000.
400 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3353011595

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