"was noch begraben lag": Unveröffentlichte Briefe und Dokumente zu Walter Benjamins Exil - herausgegeben von Geret Luhr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer die allgemeinere Literatur zum deutschen Exil durchblättert, um dort etwas über den Schriftsteller Walter Benjamin zu erfahren, wird mit einiger Sicherheit darauf verwiesen, daß Benjamin sich 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten an der französisch-spanischen Grenze das Leben nahm. Nach weiteren Informationen sucht man jedoch in der Regel vergebens, und das, obwohl Walter Benjamin zu den meistrezipierten und einflussreichsten Kultur- und Geschichtsphilosophen des vergangenen Jahrhunderts gehört. In den letzten sieben Jahren seines Lebens hat er nicht wenige seiner bedeutendsten Texte verfasst, und doch bleibt in der allgemeinen Historiographie nicht viel mehr davon übrig als die Fußnote zu einem tragischen Freitod.

In der Forschungsliteratur zu Walter Benjamin zeigt sich relativ gesehen ein ähnliches Bild. Über kaum einen Autor ist in den letzten Jahrzehnten so viel geschrieben worden wie über Walter Benjamin, und doch dürfte das Exil zwischen 1933 und 1940 die sichtbarste und auffälligste Lücke in der babylonisch sich türmenden Literatur zu Werk und Person Benjamins markieren. So läßt sich erst durch die seit kurzem abgeschlossene sechsbändige Briefausgabe ein annähernd realitätsnahes Bild von Benjamins Dasein im Exil konstruieren. Eben dieses Ziel verknüpft sich auch mit dem vorliegenden Band, der in Form von Briefen und Berichten die Verwandten Benjamins wie seine Freunde und Bekannten zu Wort kommen lässt. Vor allem Briefe an Benjamin versammelt der Band, der so die große Briefedition in einigen Teilen im Sinne einer Korrespondenzausgabe ergänzt. Zum allergrößten Teil unveröffentlicht, findet sich in dem Band eine Auswahl der an Benjamin gerichteten Briefe von Dora und Stefan Benjamin, Wilhelm Speyer, Gretel Karplus, Elisabeth Hauptmann, Carl Linfert, Anna Maria Toet Blaupot ten Cate, Herman Hesse, Asja Lacis, Willy Haas, und Max Aron. Da die Briefe Benjamins an seine Frau Dora Benjamin, an Elisabeth Hauptmann und an Anna Maria Blaupot ten Cate nahezu vollständig verloren gegangen sind, bieten ihre jeweiligen Briefe an Benjamin zudem eine wichtige Quelle für die Rekonstruktion seiner Biographie.

Enthalten sind in dem Band weiterhin die bisher nur in Auszügen veröffentlichen Tagebuchnotizen Werner Krafts zu Benjamin, ein von Max Aron verfaßter Bericht über Benjamins Ergehen im französischen Internierungslager, drei Briefberichte des Schriftstellers Soma Morgenstern über die Exilzeit Benjamins, sowie der Briefwechsel zwischen Karl Otto Thieme und der Schwester Benjamins, Dora Benjamin, in dem sich bereits 1943 erste konkrete Bemühungen um eine Edition der Werke manifestieren. Die einzelnen Dokumente sind ausführlich kommentiert, der Band ist mit einem Vorwort versehen.

G. L.

Titelbild

Geret Luhr (Hg.): Was noch begraben lag. Zu Walter Benjamins Exil. Briefe und Dokumente.
Bostelmann & Siebenhaar Verlag, Berlin 2000.
150 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3934189474
ISBN-13: 9783934189478

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