Der Stachel der Kunst

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Konrad Paul Liessmann, Philosophieprofessor an der Universität Wien, führt mit seinem gleichnamigen Buch in die "Philosophie der modernen Kunst" ein.

Wie verhalten sich diese beiden Disziplinen zueinander? Ist die Kunst eine Vergegenständlichung der jeweiligen Philosophie oder bedarf die Kunst in ihrer Abstraktheit des verstehbar machenden Kommentars? Gibt es eine Kunst ohne Philosophie? Diese einführenden Fragen des Autors bleiben auf angenehme Weise unbeantwortet, d. h. der Leser wird nicht mit einem fertigen Konzept überrollt oder mit rechthaberischen Plattitüden gelangweilt. Liessmann stellt nur die jeweiligen Ästhethik-Theorien der Philosophen vor. Dabei ist es ihm wichtig, die jeweiligen Konzepte zum Phänomen der modernen Kunst (vorrangig deutschzüngiger Denker) in ihrer Heterogenität darzubieten. Liessmann gliedert dazu sein Buch in 18 mehr oder weniger kurze, chronologisch angeordnete Kapitel, deren klare Sprache und Übersichtlichkeit, angereichert durch eine große Zahl prägnanter Zitate, hervorzuheben sind.

Liessmann beginnt, wie könnte es anders sein, mit der Konzeption von Immanuel Kant. Danach finden u. a. Hegel, Kierkegaard und Nietzsche ihre Beachtung, gefolgt von Georg Simmel und Walter Benjamin. Weiter geht es mit Adorno und der "Wahrheit der ästhetischen Avantgarde" über Dantos "Verklärung des Gewöhnlichen" und Gehlens "Zeit-Bilder" zu Martin Seels "Ästhetik der Natur". Auf der Suche nach einem Element, das in allen unterschiedlichen Theorien eine Rolle spielt, konstituiert Liessmann die Kunst "über ihre Differenz zum Gewöhnlichen und Alltäglichen." Es ist der (inter-)subjektive Umgang mit der Kunst, der über ihre Bedeutung entscheidet, nach Möglichkeiten sucht oder Sichtweisen in Frage stellt.

Liessmann gönnt sich am Schluss nur knapp drei Seiten für einen eigenen Ausblick auf die Kunstszene, der mehr als eine Warnung zu verstehen ist, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen: So lässt der Autor bewusst offen, ob die Moderne nun tot oder unabschließbar sei. Was die Kunst aber zu leisten vermag, ist zu irritieren, und ihre moderne Aufgabe ist es, die vorbeieilenden Blicke der Menschen zum Stolpern zu bringen: "Wie immer man die Kunst ansetzen will - als sinnliche Vergegenwärtigung dessen, was die Gegenwart entbehrt, wird sie auch weiterhin jener Stachel sein, der nicht nur das philosophische Denken aus mancher Lethargie zu holen weiß."

Sabine Klomfaß

Titelbild

Konrad Paul Liessmann: Philosophie der modernen Kunst.
Uni Taschenbuch-Verlag, Stuttgart 1999.
224 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-10: 3825220885

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