Streit im Schreibheft
Heft 55 mit einem Dossier zum Fall Kempker
Von Janine Bach
Die Literaturzeitschrift "Schreibheft" gilt als "Scout, der uns zeigt, wie anderswo gedacht und gedichtet wird" ("Die Zeit"). Das "Schreibheft" schreibt nicht in erster Linie über Literatur, es veröffentlicht vorwiegend Primärtexte und gewährt so Einblick in die internationale Literaturszene. Dabei liegt das Hauptaugenmerk der beiden Herausgeber Norbert Wehr und Hermann Wallmann - neben der deutschen - auf der niederländischen, skandinavischen und russischen Literatur.
Das aktuelle Heft 55 enthält ein Dossier über Birgit Kempker und ihr Aufsehen erregendes Prosagedicht "Als ich das erste Mal mit einem Jungen im Bett lag". Vor zwei Jahren im Grazer Droschel Verlag erschienen, wurde es im vergangenen Jahr von einem österreichischen Gericht verboten und aus dem Handel gezogen. Die kleine Auflage von knapp tausend Exemplaren wanderte in den Reißwolf - ein für alle Mal.
Der ehemalige Freund der Autorin erkannte sich als Protagonisten des Buches - in mehr oder weniger pikanten Situationen - wieder. Nun darf sein Name nicht mehr genannt, Kempkers Buch nicht mehr verkauft werden.
Das aktuelle "Schreibheft" dokumentiert in seinem Dossier die Texte zum Streitfall; ein Essay von Roger Willemsen kommentiert und eine Briefserie von Barbara Bongartz paraphrasiert ihn. Der hier abgedruckte Wortlaut des Gerichtsurteils dürfte eine Diskussion über die Frage entfachen, ob Kunst Persönlichkeitsrechte verletzen kann und darf.
Darüber hinaus präsentiert das aktuelle "Schreibheft" zwei Erzähler der jüngsten amerikanischen Gegenwartsliteratur, David Foster Wallace und William T. Vollmann, sowie Eugen Helmlés Präsentation des 'lipogrammatischen Romans' "Schwelle & Schwall" von Klaus Ferentschik. Hermann Wallmann rezensiert Harry Mulischs Erzählung "Das Theater, der Brief und die Wahrheit", die als Echo auf die Beiträge von Bongartz und Kempker gelesen werden kann.
![]() | ||
|
||
![]() |