Domini canes - Die Hunde des Herren

Franz S. Berger entwirft Lebensbilder berühmter Dominikaner

Von Dominik Johannes SchäferRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dominik Johannes Schäfer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist der Hochsommer des Jahres 1221. Wir gehen auf der Straße nach Bologna. Ein Mann hängt an einem Baum. Er ist schon lange tot. Eine Gruppe schwarz gewandeter Personen sieht den Hängenden. Der älteste der Männer sinkt vor der Leiche in den Staub und beginnt zu beten. "Ich bin es, der gesündigt hat." Er bekennt seine Schuld und lädt somit die Sünden der gesamten Welt auf seine gebrechlichen Schultern. Der Weg nach Bologna wird sein letzter sein. Der alte Mann, Dominikus, wird seine Heimat Kastilien niemals wiedersehen. Doch der Einfluss des von ihm gegründeten Ordens und dessen herausragender Denker wird für die nächsten 750 Jahre die gesamte Welt umfassen.

"Sie waren Heilige, Ketzer oder beides gleichzeitig. Sie waren Kämpfer für das Recht der Menschen, Kirchenlehrer und oft genug Opfer ihrer eigenen Kirche und Brüder." So skizziert Franz S. Berger in seinem Buch "Kämpfer, Ketzer, Heilige. Die Dominikaner" die Spanne der Persönlichkeiten, die sich der Nachfolge des Heiligen Dominikus verschrieben haben und dabei doch so grundverschieden dachten und handelten. Den Leser lässt er eintauchen in die Biographien der besessensten Geister ihrer Zeit. Dabei ist es oft nur eine Frage des Perspektive, ob diese Besessenheit sich zum Wohle oder zum Schaden der Menschheit auswirkte. Franz S. Berger wählt einen sehr persönlichen Blick. Einen Blick, der das individuelle Subjekt ins Zentrum stellt.

So lernen wir sie alle kennen: Die Heiligen unter ihnen, wie Katharina von Siena und Thomas von Aquin, die großen Denker, wie Giordano Bruno und Meister Eckhart, aber auch die Kämpfer, wie Girolamo Savonarola und Tomàs de Torquemada. Und gerade durch den sehr direkten Zugang zu den Persönlichkeiten, die sich hinter diesen berühmten Namen verbergen, entsteht eine gewisse Form von Sympathie. Der Leser lernt die Persönlichkeiten nämlich nicht nur kennen, sondern verstehen, ja fast verehren. Wenn auch ihre Einstellungen oft nicht unterschiedlicher hätten sein können, so sind sie doch alle in ihren Handlungen ganz und gar überzeugend. Sie stehen für ihre Positionen ein, bis zum meist bitteren Ende. So macht es bald schon keinen Unterschied mehr, ob der Protagonist eines Kapitels als Großinquisitor tausende Menschen in den Tod schickte oder als so genannter Ketzer visionäre Schriften verfasste und dafür den Flammen der Inquisition übereignet wurde.

Denn Franz S. Berger beschreibt nicht die Taten der historischen Persönlichkeiten, sondern macht den Leser zu ihrem Weggefährten, vermittelt ein Gespür für ihre Sicht der Dinge. In den einzelnen Abschnitten hält er sich nicht lange damit auf die genauen Daten aufzuzählen, diese kann der geneigte Leser in den umfangreichen Zeittafeln am Ende eines jeden Kapitels erfahren. Vielmehr versucht er Stimmungen zu erzeugen: "Auf ein Zeichen des Priors werden brennende Fackeln gegen die Pyramide geworfen. Gierig fressen sich die ersten Flammenzungen nach oben. Jubel braust auf, und von allen Seiten des großen Platzes vor dem Palazzo della Signoria, dem Palast der Stadtregierung, ertönen inbrünstige fromme Gesänge." Es wird möglich, die Szenerien vor einem inneren Auge zu entwerfen. Der Leser wird hineingezogen in die Situationen, begreift die Zusammenhänge, wird zum Zeitgenossen der Protagonisten.

Franz S. will die Menschen hinter den unterschiedlichen Denk- und Glaubenssytemen begreifen und für andere begreiflich machen. Er wird mit seinem Buch vielleicht keinem versierten Kenner des Dominikaner-Ordens neue Fakten offenbaren. Jedoch ermöglicht er einen ersten Blick auf die Vielfältigkeit der Persönlichkeiten, Glaubensrichtungen und Strömungen, die diese maßgebliche Gemeinschaft hervorgebracht hat. Dass hierbei oftmals die historischen Fakten bei der Betrachtung der Menschen in den Hintergrund treten müssen, liegt auf der Hand. So empfiehlt sich "Kämpfer, Ketzer, Heilige" eher als eine geschichtlich unterfütterte Bettlektüre. Aber eines ist sicher: Bei allen faktischen Mängeln in der Darstellung der Biographien muss der Autor wegen dieses Buches nicht auf den staubigen Boden sinken und laut aufschreien: "Ich bin es, der gesündigt hat."

Titelbild

Franz Severin Berger: Kämpfer, Ketzer, Heilige. Die Dominikaner.
Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten/Wien/Linz 2000.
254 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3853260942

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