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Jorge Luis Borges leidenschaftliche Liebe zum Film

Von Sebastian DomschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Domsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Borges geht ins Kino, sein ganzes Leben lang. Zuerst, als junger Mann, geht er mit einem professionellen Blick, dem des unerbittlich eigensinnigen Filmkritikers, zuletzt, als erblindeter Schriftsteller von Weltruhm und Direktor der argentinischen Nationalbibliothek, kann er nur noch zuhören und den Film in seinem Kopf erstehen lassen. Einem Kopf, dem bereits eines der reichhaltigsten erzählerischen Werke dieses Jahrhunderts entsprungen ist. Borges innerer Film dürfte immer besser gewesen sein als das, was die anderen auf der Leinwand zu sehen bekamen.

Vom Kino, dieser lebenslangen Leidenschaft des Argentiniers Jorge Luis Borges berichtet ein liebevoll und kenntnisreich zusammengestellter Band des Rowohlt Literaturmagazins, herausgegeben von Hanns Zischler. Das Kernstück des Bandes sind die gesammelten Filmkritiken, die Borges in den Jahren von 1929 bis 1945 in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht hat, und die auch in der 20bändigen Gesamtausgabe des S. Fischer Verlages nicht enthalten sind. Es ist faszinierend zu lesen, wie Borges sich mit den technischen Einzelheiten des noch jungen Mediums Kino auseinandersetzt, wo er Bewunderung für angebracht hält und wo er in Worten von ironischer Schärfe Kritik übt. Weltfremd, wie man ihn gerne einschätzt, ist dieser Kritiker nicht. Ausführliche und kenntnisreiche Anmerkungen sowie etliche Szenenfotos machen mit den besprochenen, heute größtenteils vollkommen unbekannten Filmen vertraut.

Darüber hinaus bietet der Band aber noch viel Anderes. Mehrere Essays widmen sich Borges Verhältnis zum Kino, vor allem zu dem legendären deutschen Regisseur Joseph von Sternberg und mit seiner Blindheit. Ein Ärgernis ist nur der Text von James Woodall "Die Liebe der Frauen. Auf der Suche nach Jorge Luis Borges". Woodall erzählt vor allem von sich selbst und breitet ansonsten noch einigen Klatsch auf Regenbogenpressen-Niveau aus.

Abgerundet wird der Band durch ein Interview mit Borges selbst aus dem Jahr 1981 und eines mit Daniel Ganz. In der Summe ergibt das ein schönes Heft, das für die Sammlung jedes Borgesfans, aber auch jedes leidenschaftlichen Kinogängers sehr zu empfehlen ist.

Titelbild

Hanns Zischler: Borges im Kino. Rowohlt Literaturmagazin Nr. 43.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999.
170 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 3498039067

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