Kauderwelsch

Stevan Maksimovics katastrophaler Debütroman "Talkmaster" Melanie Ottenbreit über Stevan Maksimovics Debütroman "Talkmaster"

Von Melanie OttenbreitRSS-Newsfeed neuer Artikel von Melanie Ottenbreit

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Zeiten, da Verlage ihre Lektorate verkleinern oder ganz auf sie verzichten, treibt der Buchmarkt zuweilen merkwürdige Blüten. Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehler lassen den Lesern immer häufiger die Lektüre sauer werden, von den Inhalten solcher Bücher ganz zu schweigen.

Der Münsteraner Tebbert-Verlag hat unlängst einem besonders häßlichen Kind dieser Tendenz Geburtshilfe geleistet. Stevan Maksimovics Roman macht vor allem durch die Vielzahl seiner formalen Fehler auf sich aufmerksam, die bereits auf den ersten Seiten der insgesamt 266 ins Auge fallen. "Die Gäste, die in dieser, doch etwas nobleren Gaststätte verkehrten, konnten sich ihre Musik, an der, eigens angebrachten Jukebox selbst auswählen" - von fünf Kommata sind drei überflüssig oder gar falsch, eine Zumutung für jeden Leser. Dabei soll das Buch, schenkt man den Angaben des Verlags Glauben, sogar lektoriert worden sein - von wem, will man da fragen.

Auch die Romanhandlung ist keine Entschädigung für die schludrige Sprache des Autors. Kevin, der Held des Romans, verbringt den Heiligabend in einer englischen Vorstadtkneipe. In einer Rückblende erinnert sich der nun Achtunddreißigjährige seiner Kindheit, die von den Wutausbrüchen seines alkoholsüchtigen Vaters getrübt war. Damals hatte er bei seinen Freunden Zuflucht gesucht, zum ersten Mal ein Mädchen getroffen und das Leben eines Teenagers gelebt, bis zu jenem schrecklichen Tag, der sein Leben verändern sollte: Bei einem Ausflug werden die vier Halbwüchsigen von einem Psychopathen überfallen; zwei können sich retten und verstecken, Kevin sinkt nach einem Schlag ohnmächtig zusammen und Heather, seine Liebe, wird vergewaltigt und dann erwürgt. Seither ist Kevin unfähig zu sprechen. Statt über das Geschehene zu reden, das, was kaum zu verstehen ist, in Gesprächen zu verarbeiten, als Zeuge auszusagen, hüllt er sich in Schweigen. Er verstummt eingesperrt in eine geschlossene Heilanstalt für viele Jahre seines Lebens.

Erst Jahre später, er ist längst erwachsen, gelingt ihm eine gleichermaßen abenteuerliche wie unglaubwürdige Flucht aus dem medizinischen Gewahrsam. Kevin taucht unter, nur von dem Gedanken besessen, Heather zu rächen. Warum, fragt er sich, haben die Freunde die Tat mit angesehen, ohne einzugreifen. Sie hatten den Verbrecher gewähren lassen - bis zu Heathers Tod. Und als es galt, Kevins schockiertes Schweigen zu erklären, das ihn schließlich in die Anstalt brachte, blieben sie stumm.

Die Flucht, die Vergewaltigung, der Mord, all das genügen Maksimovic aber noch nicht, um seinen an Sensationen und Tempo reichen Roman zu Ende zu erzählen. Der Held muß nach Amerika reisen, dort vom Tellerwäscher zum Talkmaster avancieren, um es endlich seinen beiden Kumpanen heimzahlen zu können: Brian, der inhaftierte Gangsterboss, muß vor laufender Kamera Rechenschaft für seine frühere Feigheit ablegen und wird sich anschließend erhängen. Staranwalt Giovanni, in Kevins Augen zwar ebenso feige, aber mit deutlich weniger Schuld an Heathers Tod beladen, wird sein Vermögen verlieren und "den Porsche und den neuen Ferrari gegen einen Klein-PKW" eintauschen müssen, bis der Gerechtigkeit genüge getan ist.

Kein Klischee wird vom Autor ausgelassen, weder sprachlich, noch inhaltlich. Kevins im Rausch prügelnder Vater ist "der Wolf im Schafspelz", der den Jungen, in dessen Seele sich "Gevatter Angst eingeschlichen hatte", verschreckt und ängstigt. Und auf der Ebene der Romanhandlung fügt es sich, daß Brian, der Bösewicht, zum skrupellosen Verbrecher heranwächst.

Maksimovics Charaktere, will man sie überhaupt so nennen, sind einfach gestrickt. Entweder sind sie moralisch integer, so wie Kevin, dann dürfen sie mit Happy-End und Sonnenschein rechnen. Sind sie es nicht, so werden sie dafür bezahlen - mit ihrem Leben, ihrem Vermögen oder ihrem Ansehen. Daß das Leben oft kompliziertere Geschichten schreibt als jene, scheint den Autor nicht zu interessieren. Seine Prosa ist trotz der rasanten Handlung fade. Sie liest sich zuweilen wie der Erlebnisaufsatz eines Grundschülers, dessen unbändige Fantasie ins Kraut schießt. Dazwischen lauert die Ödnis eines Romans, dessen Stil und Handlungsgeflecht nicht zu überzeugen vermögen.

Titelbild

Stevan Maksimovic: Talkmaster.
Tebbert Verlag, Münster 1999.
266 Seiten,
ISBN-10: 3897380226

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