Postmodernistische Prosa

Bernd Klähn bringt System ins Chaos

Von Jens MayerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jens Mayer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wie viele frühere Untersuchungen zum Problembereich 'Postmoderne/Postmodernismus', so verdankt sich auch die hier vorgelegte der Unzufriedenheit mit dem aktuellen Stand der Überlegungen."

Bernd Klähn, Privatdozent an der Universität Bochum, beschäftigt sich in seiner Habilitationsschrift mit dem Phänomen der postmodernistischen Literatur und versucht mit Hilfe einer exemplarischen Analyse an ausgewählten Werken der bekannten Vertreter des amerikanischen Postmodernismus Thomas Pynchon, John Hawkes und Robert Coover eine heuristische Paradigmatik zu entwickeln, die eine Einordnung der postmodernistischen Werke möglich macht.

Er sei nicht unzufrieden mit der Erörterungsbreite des Komplexes 'Postmoderne/ Postmodernismus', vielmehr habe er den Eindruck einer oftmals unangemessenen und folgenreichen Akzentuierung. Mit der Konstruktion eines heuristischen Modells möchte der Verfasser den Postmodernismus "als eine Erscheinung transparent werden" lassen, "die sich keineswegs zufällig im Gebiet der Literatur und Prosa programmatisch verdichtet hat" und aufzeigen, dass er "auf eine innere Neuordnung und Radikalisierung moder(istisch)er Orientierungsformen setzt ohne letztere völlig zu entwerten".

Das Werk ist in zwei große Abschnitte aufgeteilt: Teil Eins stellt bisherige Postmodernismusentwicklungen vor und erklärt ausführlich das Modell der von Klähn gebrauchten heuristischen Paradigmatik, die im Hauptteil, anhand der Werke der drei US-Autoren exemplarisch zur Anwendung kommt und dort mit dem Versuch der Ausweitung des Modells sowie seinen Schlussfolgerungen endet.

Klähn bestimmt die Wurzeln des US-amerikanischen Postmodernismus und stellt sie knapp dar. Er nennt hier John Hawkes' "The Cannibal" und William Gaddis' "The Recognitions" als Grundlagentexte der Literatur, sowie Susan Sontag, Leslie Fiedler und Ihab Hassan als Vertreter des frühen literaturkritischen Postmodernismus. Anschließend macht er sich daran, ein Orientierungsraster zu entwerfen, das der Triade Subjekt-Vernunft-System, welches die Grundlage für seine Untersuchungen bildet, die analytische Tiefe verleiht, die sie im zweiten Teil der Untersuchung einnehmen wird. Ausführlich beschreibt er die unterschiedlichen systemischen Modelle, die in der Wissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts eine Rolle gespielt haben und verfährt ähnlich mit der Einführung der Begrifflichkeiten Subjektivität und Rationalität. Nach weiteren Ausdifferenzierungen seines Konzeptes, widmet er sich schließlich den Detailuntersuchungen an der Prosa von Pynchon, Hawkes und Coover.

Die Texte Thomas Pynchons nehmen hier den größten Raum ein. Klähn nähert sich Pynchons Werk von der ersten short story "Entropy" über den Erstlingsroman "V", den Nachfolger "The crying lot 49" und das bisher komplexeste und umfangsreichste Werk "Gravity's Rainbow".

Hier wird die Entwicklung seines Werkes deutlich, das von Anfang an als postmoderistisch gilt, jedoch die Themenkomplexe von Roman zu Roman verdichtet. Die von Klähn entworfene Paradigmenkombination kann die Grundzüge der Erzählweise Thomas Pynchons analytisch erfassen und klar darstellen.

Die beiden folgenden Teile, die Hawkes und Coover gewidmet sind, machen deutlich, dass das Konzept aufgeht. Stellte der Autor bei Pynchon das System in den Vordergrund, gewinnen bei Hawkes das Subjekt und bei Coover die Rationalität an Bedeutung.

Die folgende Aussicht auf das Spätwerk der Autoren zeigt, dass diese sich 'linientreu' der Ausweitung ihrer Projekte widmeten.

Bernd Klähns Versuch, ein System in das vorherrschende Chaos rund um das Phänomen 'Postmodernismus' zu bringen, ist gelungen, sein Ansatz ist fundiert und nachvollziehbar. Wenn es natürlich auch nicht DAS System der Erfassung postmodernistischer Prosa geben kann (dies strebt Klähn aber auch nicht an), so ist doch vor allem die Anschlussfähigkeit der nun folgenden Untersuchungen gewährleistet worden. In der Ausdifferenzierung seines Konstruktes geht er sorgfältig, genau und selbstkritisch vor und gibt eindringliche Einblicke in die Prosa der drei Autoren.

Den zu Beginn meines Textes zitierten Bezug zum Modernismus muss der Verfasser allerdings am Ende relativieren:

"Der analytische Gesamtbogen hat den Postmodernismus zwar als plurales Phänomen bestätigt, ihn aber als Gegenpol zur Vielfaltsbedachtheit des Hoch-Modernismus charakterisiert."

Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Autor einen großen Schritt im Bereich der Untersuchung und Systematisierung der US-postmodernistischen Prosa getan und ein Werk vorgelegt hat, mit dem sich jeder, der sich wissenschaftlich mit einem der Autoren oder der Thematik auseinandersetzt, beschäftigen sollte.

Titelbild

Bernd Klähn: Postmodernistische Prosa.
Wilhelm Fink Verlag, München 1999.
344 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-10: 3770533747

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