Stille Post
Intertextualität in der Dichtung Friederike Mayröckers
Von Peter Reichenbach
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie Aufsatzsammlung "Rupfen in fremden Gärten" ist eine Annäherung an intertextuelle Bezüge in der Dichtung Friederike Mayröckers, hervorgegangen aus einem im Mai 2001 stattgefundenen Symposium an der Vrije Universität Brüssel. Eine Annäherung deshalb, weil diese Aufsatzsammlung vor allem eines zeigt: Intertextualität findet sich im Werk Mayröckers zwar in hohem Maße, doch die Verwendung gestaltet sich derart facettenreich, dass ein einheitliches Interpretationsschema nicht zu finden ist. Der Umgang Mayröckers mit Fremdtexten, Bildern etc. ist ein wechselseitig und simultan ablaufender Prozess; bei der Rezeption werden Worte generiert, die wiederum die Rezeption beeinflussen, die im Nachhinein im "Detail nicht nachvollziehbar sind", wie Edith Anna Kunz richtig anmerkt. In diesem Buch finden sich viele gute Einzelanalysen wie zum Beispiel zu "Lection" oder dem Hörspiel "Arie auf tönernen Füszen", die jedoch nur in seltenen Fällen Hilfestellung beim Übertragen auf andere Bezüge leisten können.
Eine Ausnahme ist Barbara Thums Essay "Die Frage nach der Schreibexistenz", in dem sie eine völlig andere Herangehensweise wählt. Barbara Thums geht nicht den Weg über das Einzelbeispiel, sondern macht zunächst bewusst, dass die Verwendung intertextueller Bezüge immer eine Infragestellung der eigenen Autorschaft beinhaltet. Diese Infragestellung ist gerade Teil der intertextuellen Verwendung bei Mayröcker und muss bei weiterführenden Detailanalysen immer Mitbeachtung finden, wie zum Beispiel das Zitat "JEMAND ANDERER HAT MEINE BÜCHER GESCHRIEBEN" zeigt. Nicht umsonst wählt Thums zum Beleg ihrer Thesen den 1998 erschienen Roman "brütt oder Die seufzenden Gärten", in dem sich intertextuelle Bezüge zu "den Ikonen dieser Theoriebildung", Roland Barthes und Jacques Derrida, finden. Thums erklärt die Verwendung intertextueller Verweise als eine "dialogische Konzeption von Autorschaft, die sich aus dem doppelten Anspruch herstellt, einerseits die Autorität an den Anderen zu übergeben, andererseits jedoch diese zu vereinnahmen. Einerseits also den Anspruch an Subjektivität durch Vereinigung mit dem Anderen aufzugeben, andererseits Subjektivität emphatisch durch das Phantasma, Autor im Anderen zu sein, zu bestätigen." Innerhalb dieser Konzeption geht es schließlich darum, "die fremden Zeichen mit sich selbst zu besetzen, um in der Relektüre des so entworfenen Text-Spiegels sich selbst herauszulesen. Dies entspricht der unvollständigen Wiederholung Echos, die ebenso bruchstückhaft ist wie der Textraub des schreibenden Ich in brütt." Anschaulich wird dies in den häufigen Modifikationen der übernommenen Zitate bei Mayröcker, wie Lucas Hüsgen in diesem Band an einem Beispiel zeigt, in dem Friederike Mayröcker einen Satz aus einem CD-Beiheft unvollständig übernimmt und dann eigens weiterschreibt.
Bereits 2000 erschien "Reinschrift des Lebens" von Klaus Kastberger, in dem anhand der unterschiedlichen Textstadien, die im Österreichischen Literaturarchiv vorliegen, eindrucksvoll gezeigt wird, wie Textteile, Bilder usw. von Mayröcker übernommen werden und wie mit ihnen im Schreibprozess verfahren wird. "Rupfen in fremden Gärten" unterstreicht die wichtige Stellung, die die Intertextualität in der Dichtung Mayröckers einnimmt und bildet somit gemeinsam mit Kastbergers "Reinschrift des Lebens" eine gute Grundlage für weitere Forschungen.
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