Sweet Forecast

Volker Kriegel schickt den Weihnachtsmann mit Olaf, dem Elch auf Tauchgang

Von Johannes SpringerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Johannes Springer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn Schauspieler in einem Anflug von Hybris beginnen, literarisch tätig zu werden, wie zum Beispiel im Falle Ethan Hawke oder sich eine Gitarre um den Hals hängen um a la Bruce Willis oder Billy Bob Thornton sämtliche White-middleclass-rock Platitüden auszuloten, dann mag manch ein Kritiker leicht geneigt sein, dem Irrgeleiteten seine Leisten anzuempfehlen, bei denen er doch besser bleiben sollte. Die Alltagserfahrung zeigt jedoch, dass ein Sprung eines sich primär als Musiker begreifenden Künstlers in ein anderes Metier ein ungleich freundlicheres Faktum darstellt. So sieht es bei im Filmgeschäft Gelandeten schon recht ausbalanciert aus mit Tops und Flops. Die Guten, der fabelhafte Tom Waits und die dahinter nicht zurückstehende Björk werden allerdings immer noch durch so unsägliche Figuren wie Henry Rollins oder Madonna mühelos neutralisiert. Dass Henry Rollins auch noch zu schreiben versucht, mag auch der nächsten Konvertitenkategorie eine Hypothek sein, sie sieht in ihrer Bilanz dennoch positiver aus. Denn die Schar der schreibenden Musiker ist eine überschaubare und in ihrem Schaffen nach eher ernstzunehmende Gruppe, aus deren Reihen sich immer wieder besonders glänzende Figuren herausdestillieren wie Sven Regener von der Berliner Band "Element of Crime" oder Stuart David, dem ehemaligen Mitglied von "Belle & Sebastian".

All jene, die sich in einen neuen, nicht angestammten Bereich begeben, also Neuland betreten, führen sich, wenn man Diedrich Diederichsens Ausführungen zur Genealogie der Coolness Glauben schenken darf, höchst uncool auf. Nicht weil ihnen etwas substantiell Cooles abgeht, sondern weil die Operation, die sie ausführen, nämlich das Betreten von nicht abgesicherten, nicht kontrollierbaren Kunsträumen eine Konfrontation mit performativen Problemlagen ist. Sie begeben sich in eine von Natur aus prekäre Situation, schaffen es aber nicht, diesen Prozess sicher oder auch cool zu machen. Das Bewältigen performativer Problemlagen in künstlerischen Prozessen hat Volker Kriegel indes als Jazzmusiker in Form von Improvisation, dem Umgang mit Stegreifsituationen geübt. Er hat somit nach der historischen Herleitung die Coolness auf seiner Seite. Das kommt natürlich eher unvermutet zustande, wenn man Kriegels Harmlosigkeiten als Jazzgitarrist noch im Ohr dudeln hat, aber der semantische Fond der Coolness lässt es durchaus zu auch einen Kriegel integralen Bestandteil werden zu lassen.

Nun wartet der Autor Volker Kriegel mit dem nunmehr dritten Abenteuer seiner Figur Olaf auf. Bereits der Zusatz, dass es die dritte Episode mit Olaf ist, macht deutlich, dass Volker Kriegel auch hier wieder auf der sicheren Seite in dem prekären Prozess des Erzählens angekommen ist. Olaf ist auch im dritten Teil ein Elch und seine Abenteuer sind so existentiell wie Boris Beckers Fiskusunbilden, ergo ergibt dies eine nette Kindergeschichte. So konnte sich der Betrachter und Leser der ersten beiden Teile der "Olaftrilogie" mit der Entstehung der Freundschaft zwischen Olaf und dem Weihnachtsmann sowie Olafs wagemutigen Fluganstrengungen auseinandersetzen. Auch nun im dritten Teil wiederum, "Olaf taucht ab" begibt sich der Elch in auf ihn nicht naturgemäß zugeschnittene Elemente. Diesmal geschieht das Ganze allerdings nicht freiwillig, wie noch in seinen Versuchen zur Schwerelosigkeit, sondern nach einer Rutschparty auf dem dünnen Eis der Bärenbucht, die ihn nach seinem Einbrechen durch die Eisdecke fast nicht wieder ausgespuckt hätte. Dieser kurze Badegang zeitigt jedoch schon beim gemütlichen Teeschlürfen mit dem Weihnachtsmann folgenreiche Konsequenzen. Gegen das Misstrauen des in dieser Situation entschieden gegen jeden Spuk und Mirakel eintretenden Weihnachtsmannes beharrt Olaf auf seiner Beobachtung, unter Wasser ein gleißendes Licht vom Meeresgrund heraufscheinen gesehen zu haben. Folgerichtig werden, sobald der aufgeklärt-rational auftretende Weihnachtsmann sich von der Sinnhaftigkeit einer Expedition zur Erforschung dieses Scheines hat überzeugen lassen, die Vorbereitungen getroffen. Entgegen des Weihnachtsmannes Motto "Es soll keine Wunder neben mir geben" wird eine von 200 Jahre alten Seeräubern bewohnte Meeresgrotte gefunden und die Qualifikationen des sonst nur für den 24.12. zuständigen Eventmanagers sind mehr denn je gefragt. Olaf sekundiert, und nach Bewältigung aller Hindernisse ist der Bund zwischen den beiden enger denn je.

In Ronja Räubertochter Manier blickt Olaf den Gefahren ins Gesicht und umkurvt sie ebenso wie Volker Kriegel die Gefahren einer Kunstformwechselvita. Überraschend ist in erster Linie die spärliche Stereotypisierung der Figuren, der Weihnachtsmann erscheint hier ohne den Habitus des gemütlichen, perfekten Onkels und auch den Seeräubern ist der Zahn gezogen. Illustriert durch den Pinsel des universalbegabten Kriegel ist eine runde Kindergeschichte das Resultat. Sowohl seine Hauptfigur als auch er selbst suchen den Tanz auf Messers Schneide und in beiden Fällen kann der Leser absolute Coolness attestieren.

Titelbild

Volker Kriegel: Olaf taucht ab. Eine Tauchergeschichte.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
64 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-10: 3821837705

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