Pax Americana oder "Intelligenter Frieden"?

Linke Positionen zur internationalen Politik in der post 11. Septemberzeit serviert der Sammelband "Imperial Djihad?"

Von Johannes SpringerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Johannes Springer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In einer Phase des politischen Zeitgeschehens, in der die Debatte um einen erneuten Angriff auf den Schurkenstaat Irak und vor allem auf Saddam Hussein im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion steht und eine dezidierte deutsche Position zur amerikanischen Außenpolitik noch aussteht, nachdem im Wahlkampf der Pfad der uneingeschränkten Solidarität gepaart mit der subordinaren Gefolgsamkeit gegenüber den USA verlassen wurde, erscheint mit "Imperial Djihad" ein Kompendium an Analysen zur gegenwärtigen Konfliktkonstellation. Dieses Werk, das der Regie vier Politikstudenten zu verdanken ist, die als Herausgeber und auch in einem Fall als Autorin fungieren, versammelt Texte von Wissenschaftlern unterschiedlicher fachlicher Provenienz, die allerdings einen Konsens in sich tragen, nämlich die Ablehnung der unter der Ägide der USA stattfindenden Kriege der neuen Art.

"Es gibt einen Index in Deutschland, auf dem alles unter Verbot gestellt ist, was als Kritik am westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aufgefasst werden und damit die Wehrhaftigkeit gegenüber dem Islam gefährden könnte" schreibt Jens Jessen in der ZEIT vom 26. September 2002 unter dem Titel "Grenzschützer des Westens". Es wird beklagt, dass sich in diesem Meinungsspektrum bewegende, kritische Stimmen unter den Verdacht gestellt werden, "Feinde der Freiheit" zu sein. So steht zu erwarten, dass dieses nun publizierte Buch als Becken für verfemte, kritische Stimmen entweder gar keine oder hysterisch-negative Resonanz wird erfahren müssen. Dabei könnte es einen sehr wertvollen Beitrag darstellen zur ehrlichen Debatte um Kriegsführung in der Ära nach der Auflösung des bipolaren Systemantagonismus und um die amerikanische Position in der Weltordnung nebst der sie begleitenden Ideologie. Die Herausgeberfraktion, eine nicht nur durch das Studium der Politikwissenschaft, sondern auch durch Mitarbeit in Gewerkschaft, Parteien usw. prädestinierte Gruppe, ließ bereits kurz nach dem terroristischen Gau am 11. September und den beginnenden Bombardements auf Afghanistan am 7. Oktober 2001 eine Veranstaltungsreihe beginnen mit dem programmatischen Titel "Intelligenter Frieden". Diese ins Leben gerufene Diskussion nahm zwar die unmittelbaren Ereignisse des 11. September und die ihm folgenden militärischen Reaktionen zum Anlaß, beschränkte sich jedoch in seiner thematischen Ausrichtung nicht auf diese Ereignisse, was sich im kaleidoskopischen Reichtum der einzelnen Beiträge im nun vorgelegten Buch niederschlägt. Es macht die besondere Qualität dieser Diskussionsanstrengungen aus, dem Thema der Renaissance des ius ad bellum, also der wieder gangbar gemachten Option des manifesten Krieges und den Implikationen für eine Weltordnung ein Forum zu geben. "Kriege werden wieder häufiger geführt, während die Friedensbewegung marginal oder nicht existent ist." Das auf die westliche Welt zu beziehende Diktum wirft die Frage auf, wie man solch eine Tendenz begründen kann, wo also die Ursachen zu verorten sind. Auf die Frage nach den eigentlichen Motiven für die interventionistische Politik des westlichen Staatenbündnisses NATO und natürlich den exponierten USA werden hier Antworten gegeben, die deutlich abweichen von etablierten Legitimationsmustern wie dem Kampf für Freiheit, Frieden und Menschenrechte. Der internationale Terrorismus und die Verbreitung demokratischer Werte nehmen sich hier nicht mehr aus wie die eigentlichen Gründe für die Anstrengungen der Amerikaner, möglichst viel Präsenz und Kontrolle im mittelasiatischen Raum zu erlangen. Argumentiert wird hier auf eine überaus feinnervige und fundierte Art mit verschiedenen alternativen und komplementären Interessen Amerikas und Westeuropas.

Mohssen Massarrat, Politikprofessor an der Universität Osnabrück, entwickelt sehr überzeugend, dass es im Mittleren und Nahen Osten kein einziges Beispiel dafür gibt, dass "Ansätze von Demokratie von außen in der Region gefördert wurden, dass die Werte westlicher Industriestaaten, wie Pluralismus, Meinungsfreiheit und Schutz der Menschenrechte, glaubhaft als Richtschnur ihrer Beziehungen zu den Staaten im Mittleren und Nahen Osten gedient hätten." Vielmehr wird auf die stetige Einflussnahme Amerikas verwiesen, die zum Ziel hatte, Regime zu installieren, die amerikanische Interessenpolitik in Form stabiler Ölpreise vertraten. Auch in Afghanistan scheinen diese Bemühungen gefruchtet zu haben, da Präsident Karsai als Lakei des Westens betrachtet werden kann, nicht aber als Speerspitze afghanischer Demokratieanstrengungen. Die Doppelstrategie der störungsfreien Ölversorgung zwecks Wirtschaftswachstums und die Disziplinierung der ökonomischen Rivalen Westeuropa und Japan durch Dependenzen im Ölgeschäft erscheint unetr dieser Sichtweise als Leitmotiv für ein halbes Jahrhundert amerikanischer Interessenpolitik in der Region.

Bei Frank Unger gerät der "liberale Internationalismus" ins Visier. Er ortet in Amerika den Wunsch durch expansiv, imperiale Verbreitung amerikanischer politischer Hegemonie den Frieden und die Freiheit des Systems der Pax Britannica des 19.Jahrhunderts in die Gegenwart zu übertragen. In Form der Pax Americana soll mit dem Mittelpunkt USA die neoliberale Ordnung der Welt alle beglücken.

Ins Zentrum der Mehrzahl der Analysen dieses Buches werden die angenommene imperiale Strategie des Neoliberalismus und der Finanzmärkte gestellt, die Bemühung um Kontrolle über einen Großteil der Ölvorkommen der Erde sowie das militärisch-strategische Interesse an der mittelasiatischen Region, die als "Drehtür" zwischen Rußland, China, dem Mittleren Osten und Südasien eine wichtige Funktion einnimmt. Intelligenter Frieden ist das Ziel der Beitragenden und dazu machen sie erst einmal deutlich, dass die gegenwärtigen Anstrengungen des Westens diesen nicht erreichen und häufig nicht einmal zum Ziel haben. Dies mag in einigen Fällen, wenn die Ölpipelines es den Autoren allzu sehr angetan haben beizeiten etwas vulgärmarxistisch klingen und kann auch in toto nicht die Kriegsanstrengungen erklären aber durchaus in einem multikausalen Gedankengerüst mittragende Figur sein. Zu wünschen wäre es diesem Buch, dass es vielen hilft, Aufschlüsse zu geben über das Kriegsgeschehen vor allem der letzten 10 Jahre und verhindern hilft, neue Kriege oder "humanitäre Interventionen", "Kriege gegen das Böse" zuzulassen.

Titelbild

Imperial Djihad? Über Fundamentalismus, Schurkenstaaten und neue Kriege.
Herausgegeben von Guido Speckmann u.a.
VSA Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung, Hamburg 2002.
200 Seiten, 15,50 EUR.
ISBN-10: 3879758794

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