Scheiß Fremdwörter? Jetzt nicht mehr!

Die Duden-Redaktion präsentiert ein "umgekehrtes" Fremdwörterbuch

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fremdwörter sind tückisch. Irgendwann bringen sie jeden ins Stolpern. Besonders aber Fußballer.

"Wir sind eine gut intrigierte Truppe", soll "Loddar" Matthäus einmal getönt und sich dann über das Grinsen der Journalisten gewundert haben. Ein Eigentor schoss auch Thomas Häßler mit der Auskunft: "Ich bin körperlich und physisch topfit." Pierre Littbarski aber brachte das Problem auf den Punkt: "In der ersten Halbzeit haben wir ganz gut gespielt, in der zweiten fehlte uns die Kontinu ..., äh Kontinu ..., ach scheiß Fremdwörter: Wir waren nicht beständig genug!"

Mit dem neuen Nachschlagewerk aus der Duden-Redaktion wäre ihnen das nicht passiert. "Vom deutschen Wort zum Fremdwort" - der Titel verrät, worum es geht. Es ist, wie die Einführung erläutert, eine Art Gegenstück zu jenen Antifremdwörterbüchern der deutschtümelnden Sprachpuristen. Campe und Co. hatten vom 18. Jahrhundert an versucht, die deutsche Sprache von allem ihr vermeintlich Fremden zu reinigen. Für jedes "ausländische Wort" schlugen sie deutsche Alternativen vor. Manchmal mit einigem Erfolg. Warum nicht "Augenblick" statt "Moment", "Gesichtskreis" statt "Horizont", "Besprechung" statt "Rezension"? Andere Vorschläge dürften dagegen schon damals nur die Heiterkeit der Sprachgemeinschaft erregt haben. So etwa die "Dörrleiche", die die "Mumie" ersetzen sollte. Oder der "Jungfernzwinger" (für Nonnenkloster).

Der neue Duden-Band erlaubt es nun, für ein deutsches Wort das passende Fremdwort zu finden. Beispiel "geistig": Zur Auswahl stehen "ideal", "ideell", "mental", "platonisch", "spiritual" und "zerebral". Für 16.000 deutsche Wörter bietet das "Wörterbuch zum richtigen Fremdwortgebrauch" über 40.000 sinnverwandte Fremdwörter. Worterklärungen mit Anwendungsbeispielen und stilistische Bewertungen sorgen dafür, dass unter mehreren Möglichkeiten das treffendste Fremdwort gefunden werden kann.

Auch wenn heute noch gelegentlich eine Angst vor "Überfremdung", vor zu vielen Anglizismen etwa, artikuliert wird, empfiehlt die Duden-Redaktionen einen gelassenen Umgang mit Fremdwörtern. Statistisch gesehen hat ihr Gebrauch in den letzten hundert Jahren nicht zugenommen; außerdem haben schon unsere Altvorderen im 8. Jahrhundert das Althochdeutsche ohne Berührungsängste mit lateinischen und griechischen Wörtern verfeinert. Daher gilt die Devise: "Relevant ist aus heutiger Sicht nicht die Herkunft eines Wortes, sondern seine Leistung. [...] Es stellt sich daher nicht die Frage, ob man Fremdwörter verwenden soll oder darf, sondern wo, wie und zu welchem Zweck man sie verwenden kann oder soll. Sie grundsätzlich meiden zu wollen, hieße auf vielfältige sprachliche Möglichkeiten zu verzichten."

Zum Beleg erläutert die kluge Einleitung, wozu Fremdwörter dienen können. Beispielsweise ermöglichen sie inhaltliche Nuancierung durch Hervorrufung spezifischer Assoziationen ("Exkursion" statt "Ausflug") oder helfen, unerwünschte Assoziationen zu vermeiden ("Passiv" statt "Leideform"). Sie erlauben auch eine Nuancierung der Stilebene ("transpirieren" statt "schwitzen") oder ermöglichen das taktvolle Sprechen über heikle oder unangenehme Themen ("Inkontinenz" statt "Bettnässen", aber freilich auch: "Kollateralschäden" statt "zivile Opfer"). Eine empfehlenswerte Anschaffung also. Oder, mit Andreas Möller gesprochen: "Ich habe vom Feeling her ein gutes Gefühl."

Titelbild

Duden - Vom deutschen Wort zum Fremdwort. Wörterbuch zum richtigen Fremdwörtergebrauch.
Bibliographisches Institut, Mannheim 2003.
552 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 341171641X

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