Dämone, Spione und Geisteskranke

Henri Michaux erforscht den Wahnsinn, mit Drogen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Haschisch ist ein "Spion ersten Ranges", und Meskalin ein "Dämon", "geschaffen, das Gehirn zu vergewaltigen", so Henri Michaux, Pionier der psychedelischen Kunst, in seinem Buch "Erkenntnisse durch Abgründe". Nahezu ein Jahrzehnt vor Timothy Learys "policy of ecstacy" in Frankreich erschienen, ist hier noch nichts zu vernehmen von der späteren Verklärung 'bewusstseinserweiternden' Drogenkonsums. Der "Anblick", den die Drogen gewähren, ist vielmehr "schlecht, pervers, unrichtig". Auch nimmt der Künstler, der in jungen Jahren kurz Medizin studierte, das "Gift", wie er immer wieder betont, nicht, um "die Drogen zu genießen, sondern um sie auszukundschaften". Die Ergebnisse dieser Erkundung liegen nach nunmehr fast vier Jahrzehnten auch in deutscher Übersetzung vor.

Was die verschiedenen Teile des Buches eint, will zunächst nicht so recht einsichtig werden. Berichten des Autors über seine Erfahrungen unter Drogen sind Texte zur Seite gestellt, die er im Rausch niedergeschrieben hat. Ihnen ist ein umfangreicher Aufsatz beigefügt, der die Frage erörtert, welches "die Abzüge, die Schwächen, die Verschlechterungen [sind, die] zum wahnsinnigen Denken und Handeln führen". Erst hier erfährt man, dass die Selbstexperimente mit Drogen dazu dienen sollen, dem Erleben "der Geisteskranken" nahezukommen, so Michaux pauschalisierend. Mit Hilfe der Drogen gelangt der Autor zu der überraschenden Erkenntnis, dass der Geisteskranke "Opfer der in seinem Körper von seinen eigenen Organen ausgeschütteten Droge" sei. Es wird deutlich, dass der Autor die Wahnwelten der Geisteskranken mit den eigenen Drogenerfahrungen parallelisiert, ohne das jedoch zu begründen. Stattdessen gewinnt man schnell den Eindruck, dass es sich hierbei um schlichte Projektionen handelt.

Vergleichbare Berichte über Drogenerfahrungen und im Drogenrausch verfasste Texte lagen auch zu Beginn der sechziger Jahre schon vor. Man denke etwa an Aldous Huxley, Walter Benjamin oder Sigmund Freud. Michaux, der als Literat und bildender Künstler Hervorragendes geleistet hat, fügt dem nichts nennenswert Neues hinzu. Und was er über "Geisteskranke" zu sagen hat, hat sich inzwischen als unhaltbar erwiesen. Die Lektüre von "Erkenntnisse durch Abgründe" lohnt sich so allenfalls für Leser, die sich für die Person des Künstlers Henri Michaux interessieren.

Titelbild

Henri Michaux: Erkenntnis durch Abgründe. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort von RainerG. Schmidt.
Verlag?, Wien 1998.
251 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3854204981

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