Glück im Spiel, Unglück in der Liebe

Giuseppe Gennas Roman "Im Namen von Ismael"

Von Maud BouwensRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maud Bouwens

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gennas Roman hat eine ernüchternde Wirkung, wenn man noch nicht wusste dass Kriminalität und Politik zwei Dinge sind, die man nicht voneinander trennen kann. Genna schildert auf 565 Seiten, eine integrierende Welt, die geprägt wird von Heuchelei, Karrieristen, Sadomasochismus, Vertuschen und Machtspielen. Er weißt diese Themen raffiniert in Worte zu kleiden.

In einer Zeitspange von ungefähr vierzig Jahren wird dem Leser eine Kriminalgeschichte aus zwei Perspektiven dargestellt. Die eine folgt Inspektor David Montesori im Jahre 1962, die andere Inspektor Guido Lopez im Jahre 2001. Im Mittelpunkt steht der Auslöser des Bösen Ismael. Ismael als der Drahtzieher, der alles in allen Einzelheiten inszeniert. Den Ball wird ins Rollen gebracht durch einen 'üblichen' Mordfall in der Nähe einer Gedenkstätte, was sich als eine Sache mondialer Größe herausstellt. Es finden auf zwei Ebenen mehrere Ereignisse statt, die alle in Beziehung zueinander stehen. Das weltweitverbreitete Netz Ismaels soll seine Klimax in Cernobbio, wo die Größen Europas und der Vereinigten Staaten sich treffen, erleben. Der Weg dahin ist ein Weg voller Abrechnungen, Manipulationen und Geheimnisse. Geheimnisse sind zentral in diesem Roman. Montesori, Maura, Lopez, der Alte und auch Ismael - sie alle haben etwas zu verbergen. Und die Protagonisten wird auch der Leser irregeführt: "Alles falsch. Es war das Gegenteil von dem, was er [scil. Montesori] angenommen hatte. Niemand - niemand war mehr sicher."

Die Erzählstränge sind auf geschickter Weise miteinander verknüpft, damit die Spannung erhalten bleibt und immer wieder einen Schockeffekt bewirkt. Jeder kleine Abschnitt ist mit einem Motto versehen, das den Inhalt fokusieren soll, aber überflüssig wirkt, als ob sich der Autor eines literarischen Niveaus vergewissern will. Der Roman ragt auch ohne das über einen spannenden Krimi hinaus: Die unvorhersagbaren Ereignisse, die Authentizität der Figuren und die kompositorische Darstellung sind dabei wichtig. Aber im Rahmen der Fiktionalität könnte der realistische Gebrauch existenter Personen einige Schwierigkeiten bereiten. Was ist wahr, was erfunden?

Durch die Chronik am Ende des Romans bleibt der Leser im Ungewissen, ob es Ismael überhaupt gibt, ob tatsächlich Zusammenhänge bestehen zwischen dem Tod Lady Dianas und den Kinderleichen. Wie dem auch sei, der Grund dafür, dass Dutroux, der im Anhang ebenfalls genannt wird, noch immer nicht vor Gericht steht, ist im Politischen zu suchen und ein offenes Geheimnis. Genna spielt ein verrücktes Spiel mit der Realität. Dass er Sachkenntnis hat steht außer Zweifel: 1995 untersuchte er im Auftrag des italienischen Parlaments den Terrorismus in Italien und Europa.

Am Ende glaubt man im Zweifelsfall dem Autor. Dann aber ergibt sich die Frage, inwiefern der Autor mit den Fakten spekulieren darf? Oder ist auch hier das Recht eines Romanciers von ausschlaggebender Bedeutung?

Getarnt als ein Spiel wird es ein Kampf ohne Ende. Beide Inspektoren setzen ihr Leben und ihre Liebe ein. Die Beziehungen der beiden Protagonisten, Montesori und Lopez, scheitern, weil sie sich opfern für die Jagd auf Ismael und damit ihre Liebe verlieren oder aufgeben müssen. Indessen hält Ismael die Welt im Griff hält und spielt mit ihr sein Spielchen.

Titelbild

Giuseppe Genna: Im Namen von Ismael. Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Maja Pflug.
Diogenes Verlag, Zürich 2002.
573 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3257860862

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