Die Wahrheit liegt nahe am Wahnsinn

Roberto Pazzis Roman "Konklave" über eine ganz besondere Papstwahl

Von Friederike Koch-BüttnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Friederike Koch-Büttner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Konklave - wohl eines der ehrwürdigsten und ältesten Rituale unserer westlichen Welt. Hier sollen die ersten Mitarbeiter des Papstes, die Kardinäle, nach dessen Tod aus ihren Reihen einen ihm ebenbürtigen Nachfolger wählen. Dies geschieht in vollkommener Abgeschiedenheit von der Welt, eingeschlossen (cum clave) in den dafür vorgesehenen Räumen der Vatikanstadt.

Das Konklave bei Roberto Pazzi: Im wahrsten Sinne des Wortes ein Hühnerstall, ein völlig außer Kontrolle geratenes Chaos, bei dem wohl jede teilhabende heilige Eminenz eines Tages zumindest ansatzweise den Verstand verliert.

Pazzi, bei uns hauptsächlich für seine lyrischen Werke und eine historische Romantriologie bekannt, legt mit seinem neuen Buch "Konklave", das in Italien bereits 2001 erschien, einen Text vor, der in seinem Heimatland - zu Recht -bislang fünf der wichtigsten Literaturpreise erhielt.

Die ungefähre Handlung ist schnell geschildert: Die Kardinäle der gesamten katholischen Welt befinden sich im längsten Konklave der Kirchengeschichte und können sich auf keinen Kandidaten mit der erforderlichen Mehrheit einigen.

Doch der eigentliche Teufel steht im Detail: Anhand des Protagonisten Ettore Malvezzi, seinerseits Kardinal von Turin, wird der Leser durch dieses ganz besondere Konklave geführt und erfährt, welche ihnen auferlegten Prüfungen die Eminenzen zu bestehen haben. Zunächst lässt der plötzliche Tod eines Kardinals das Geschehen kaum erlahmen, wäre da nicht kurz darauf ein zweites Todesopfer, das im Gegensatz zu dem anderen durch geradezu mysteriöse Umstände ums Leben kommt. Parallel hierzu beschließen die Kardinäle eines Tages, eine Sauna und ein türkisches Dampfbad in einem Turm des abgegrenzten Teils der Vatikanstadt einzurichten. Hier kommt es zu unglaublichen Szenarien bis hin zur Massengeißelung.

Doch damit nicht genug: Verschiedene Tierplagen bedrohen nicht nur das Leben der Kardinäle, sondern auch die Vatikanischen Museen und Michelangelos Fresko des Jüngsten Gerichts. Nun wird also eine Rattenplage durch den Einsatz von Katzen, eine Skorpionplage durch Hühner und eine Fledermausplage durch Eulen bekämpft. Der entstehende Tumult ist kaum vorstellbar.

Nebenbei versuchen zwei Kardinäle, mit Hilfe von zusammengeknüpften Bettlaken die Flucht aus dem Konklave.

Die gesamten Konklaveteilnehmer erfreuen sich hingegen an afrikanischen Ritualtänzen, bei denen sie wie in Trance stundenlang durch die Gänge tanzen.

Außerdem geraten die Eminenzen in diesem nicht enden wollenden Konklave immer mehr in einen Strudel aus Halluzinationen und Intrigen, aus dem es scheinbar kaum ein Entrinnen gibt. Um so erstaunlicher, sowohl für Ettore Malvezzi, als auch für die übrigen Kardinäle, ist die Wendung der Geschichte zum Ende, die offensichtlich nur durch ein Wunder herbeigeführt werden kann.

Pazzi ist es auf geniale Weise gelungen, ein relativ trockenes Thema, nämlich den Zeitraum der Sedisvakanz bis hin zur Wahl des neuen Oberhauptes der katholischen Kirche mit einer ungeheuren Portion an Witz und Humor zu schildern. Über dieses Thema wurde schon viel geschrieben, doch der Autor betrachtet es hier aus einer vollkommen neuen Perspektive.

Interessant ist der Roman sowohl für ein in Bezug auf die bestehenden Rituale des Katholizismus vorgebildetes Publikum, als auch für einen Leser, der sich nie zuvor mit dem Thema des Konklave auseinandergesetzt hat.

Pazzi vereint in diesem Roman sehr viele literarische Gattungen, "Konklave" hat Elemente von Fantasy, Thriller, Comedy und Satire. Zudem ist der Roman ein informatives Buch über die Papstwahl, bei dem der Leser gleichzeitig viel über die Probleme des Katholizismus in unserer westlichen Welt, in Afrika und in Südamerika lernt. Darüber hinaus wird auch auf Schwierigkeiten, der katholischen Kirche in der Vergangenheit eingegangen. In satirischer Weise prangert der Autor die bestehenden Verhältnisse und Probleme unserer Gesellschaft an, indem er sie auf den Katholizismus und somit auf das Konklave projiziert. Anhand von den Kardinälen, die in ihrer Abgeschiedenheit und Einsamkeit ihren Lastern, Schwachheiten und ihrem Egoismus erliegen, übt er Kritik aus, ohne jedoch direkt den Glauben in Frage zu stellen.

Mit seinem ironischen Ton gelingt es Pazzi schnell, den Leser in seinen Bann zu ziehen und präsentiert immer neue Überraschungen, so dass man sich an vielen Stellen das Lachen kaum verkneifen kann.

Wer sich diesem Roman mit Verbissenheit und Ernst nähert, wird ihn sicherlich schnell wieder beiseite legen. Doch wer sich auf Malvezzis Abenteuer einlässt, kann gar nicht genug von den geschilderten Absonderlichkeiten bekommen.

Die Verknüpfung der unterschiedlichsten Handlungsmomente, der ernsthaften Probleme und den lustigen Eskapaden gelingt dem Autor jedenfalls auf bewundernswerte Art und Weise.

Nach Monaten von missglückten Wahlgängen und vielem schwarzen Rauch, der das Wahlöfchen der Kapelle sichtbar für die Welt verlassen hat, kommt es doch noch zu einer Entscheidung.

Durch den ranghöchsten Kardinalsdiakon kann endlich die allerseits ersehnte Verkündung geschehen und mit dem "Habemus Papam" schließt sich schließlich auch der Kreis.

Kein Bild

Roberto Pazzi: Konklave.
Übersetzt aus dem Italienischen von Moshe Kahn.
Ullstein Verlag, Berlin 2002.
352 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-10: 3550083815

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch