Postmodernes Putzen

Margaret Horsfield ist die Johanna der Kühlschränke

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ehemänner in Romanen leiden unter dem Putzteufel in ihrem Hausstand, den sie sich einst zur Regulierung der Säfte angeschafft haben. Der Putzteufel strapaziert das Nervenkostüm des Gatten und die Haut der Hausfrau. Derweil entdeckt die Hausfrau immer neue Methoden der Desinfektion und wienert Wasserflecken von der Spüle, bis man sich drin spiegeln kann. Loriot hat einige seiner schönsten Sketche aus diesem konfliktreichen Milieu geschöpft, und die Kanadierin Margaret Horsfield hat aus ihrem reichen Erfahrungsschatz mit Kehrblech und Staubtuch ein Buch gemacht.

Bislang gehörte der Diskurs über den Hausputz in die Werbung und in die Räume häuslicher Intimität: "Schatz, du sollst doch nicht im Stehen pinkeln!" Putzen wird nur öffentlich, wenn es exemplarisch oder theoretisch (und quasi anonym) thematisiert werden kann. Der eigene Dreck war bisher nicht gesellschaftsfähig, war gleichsam tabu, wie nur noch wenige Bereiche der Intimität. Freilich, auch das wird sich geben, wenn RTL2 erstmal das Thema "Putzen im Swingerclub" entdeckt haben wird.

In den sechziger und siebziger Jahren glich der moderne Haushalt einem hochkomplexen Maschinenpark. Elektrische Brotsägen, Dosenöffner, Videoüberwachung des Herdes usw. nötigten der Hausfrau auch ganz neue Kenntnisse im Putzen auf. Das postmoderne Putzen seit den Achtzigern ist mehr vom Gedanken der Ökologie und der Verhältnismäßigkeit der Mittel geprägt. Die Studie von Margaret Horsfield gibt sich hier aufgeschlossen und gelehrig. War Putzen früher eine Frage der Pflicht, so ist es seit geraumer Zeit auch eine Frage der Kür und neuerdings eine Frage der Lust: Die Frau von heute wischt nicht nur den Dreck weg, den ihr Typ hinterlassen hat, sondern den Typen gleich mit.

Was und wieviel man putzt oder zu putzen hätte, ist nur im öffentlichen Raum geregelt. Gesundheitsämter wachen darüber. Im privaten Raum haben sich gewisse Standards eingestellt - die Werbung adelt die perfekte Hausfrau. Frühkindliche Konditionierungen gewährleisten die Weitergabe erworbener Fähigkeiten. Margaret Horsfield thematisiert den Einfluß der Mütter auf das Putzverhalten der Töchter; den Einfluß der Werbung auf das Verbraucherverhalten; den Wandel des Hausfrauenimages seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, die Entwicklung der Hauswirtschaftslehre und der Haushaltsratgeber. Auch dem "Saubermann" ist ein Kapitel gewidmet. "A Horse for a Kingdom", wird dieser sich sagen, und für den Haushalt die Horsfield dazu.

Titelbild

Margaret Horsfield: Der letzte Dreck. Von den Freuden der Hausarbeit. Aus d. Engl. v. Dirk Muelder.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 1999.
272 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3352006210

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