Witzbildchen für Fortgeschrittene

Zum "Hausschatz des Goldenen Humors" von Achim Greser und Heribert Lenz

Von Klaus Cäsar ZehrerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Cäsar Zehrer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Daß das aus dem letzten Loch pfeifende, durch zigtausendfaches Variieren des Immergleichen zur trübselig-witzlosen Fließbandangelegenheit verkommene Genre der Witzzeichnung doch noch nicht rettungslos verloren ist, beweisen seit Jahr und Tag einerseits Meister wie Manfred Deix, Gerhard Haderer, Michael Sowa und Wolf-Rüdiger Marunde, andererseits Zeichner vom Schlage Rattelschneck oder Tex Rubinowitz. Die einen bestechen durch brillante Technik und filigrane Ausführung und heben dadurch die Kunst des Cartoons in neue Höhen, die anderen unterlaufen mit bewußt ungelenk-grobschlächtigen Krakeleien jeglichen Kunstanspruch und schaffen sich dadurch die zeichnerische Grundlage für einen besonders dreisten, eigenwilligen Witz. Und dann gibt es noch diejenigen, die alles können, das Feine und das Grobe und alle Zwischenstufen; dazu zählt zum Beispiel Ernst Kahl oder - womit wir endlich beim Thema wären.

Wie die interne Arbeitsaufteilung des Zeichnerduos Achim Greser und Heribert Lenz geregelt ist, bleibt sein Geheimnis; die neueste Frucht des kongenialen Schaffens im Dienste des Witzbildes jedenfalls liegt nun als "Hausschatz des Goldenen Humors" vor. Daß die beiden zeichnen können wie die Götter, beweisen sie etwa mit dem wunderbaren Blatt "Marilyn Monroe auf ihrer Unterfrankentournee 1956", daß sie es auch bleiben lassen können, mit diversen Trash-Cartoons (zum Beispiel "Franz Kafka nach der Fete beim Fischer Verlag"), und daß sie einen untrüglichen Riecher dafür haben, wo die Pointe sitzt, mit fast allen ihrer Arbeiten.

Von der humoristischen Massenware unterscheiden sich die komischen Zeichnungen von Greser und Lenz dadurch, daß ihr Witz oft außerhalb des Gezeigten liegt; will heißen: Die komische Uneigentlichkeit besteht weniger in wie auch immer zueinander in Kontrast gesetzten Text- oder Bildelementen als in der ironischen Verwendung von eigentlich nicht oder nicht mehr witztauglichen Themen und Techniken. So verstaubt wie die Humorsammlungen, auf die der Titel des Buchs anspielt, sind viele der abgehandelten Szenerien: Der Missionar im Kochtopf, der Angler mit dem Fang, an dem noch das Preisschild hängt, die Zeitnot der Eintagsfliegen - all die seit Jahrzehnten abgehangenen und doch nicht totzukriegenden Klischees des Witzbildes feiern, noch ein Stück weiter ins schillernd Bescheuerte gedreht, Auferstehung und finden Platz neben absichtlich blöden Flugzeugabsturz-, Klon- und Viagrawitzen.

Mit den Persiflagen von Greser und Lenz kann nur etwas anfangen, wer das traditionelle Pattern kennt und seiner überdrüssig ist. Ihre Castor- und Kriegs-Cartoons zielen nicht gegen Atomindustrie oder Militär, sondern gegen andere Politcartoons. Diese Metasatire wird zwar nicht in alle Ewigkeit funktionieren - ja, sie trägt noch nicht einmal über knapp 200 Seiten, ohne sich zu erschöpfen; aber da die Entwicklung des gezeichneten Witzes an diesem selbstreflexiven Reinigungsprozeß nicht vorbeikommt, dürfte den Herren Greser und Lenz ein Platz in den Geschichtsbüchern gewiß sein.

Titelbild

Achim Greser / Heribert Lenz: Hausschatz des Goldenen Humors.
Verlag Antje Kunstmann, München 1999.
190 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3888972248

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