Glaube, Ideologie und Macht
"Lewis Reise" beschreibt den Entwicklungsweg der schwedischen Pfingstgemeinde
Von Dörte Hartung
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Es ging um Ideologie, Glauben und Macht", heisst es in dem neuesten Werk des schwedischen Schriftstellers Per Olov Enquist. Denn diese drei mächtigen Worte kennzeichnen die Beziehung von Lewi Pethrus, dem Begründer der schwedischen Pfingstgemeinde, zu seinem langjährigen Freund und Partner Sven Lidmann. Um Glauben geht es bereits in der Rahmenhandlung, die einen Journalisten als Ich-Erzähler in die Welt der Pfingstbewegung und Herrnhuter Brüdergemeinen führt. Efraim, ein Bekannter von ihm, ist gestorben und in seinem Lebenslauf, den alle Herrnhuter im Laufe der Jahre verfassen, berichtet dieser von seiner gemeinsamen Zeit mit Levi Pethrus. In diesem Lebenslauf wird mal fragmentarisch, mal sehr ausführlich die Entwicklung des Pfingstlers Pethrus dargestellt. Bereits als junger Mann vertritt Lewi eine ganz andere Ideologie als Sven Lidmann, der sich zunächst in eine andere gesellschaftliche Richtung entwickelt. Während der eine eine immer wichtigere Rolle in der Arbeiterbewegung und der Kirche spielt, etabliert sich der andere, zunächst mittelloser Schriftsteller, durch seine erste Heirat in Schwedens Oberklasse. Doch wie zwei Magnete bewegen sich die beiden kontinuierlich auf einander zu, bis sie schließlich zusammen die schwedische Pfingstbewegung anführen. Doch aus der gemeinsamen Ideologie entwickelt sich nach Jahren der Freundschaft ein erbitterter Machtkampf, aus dem, zumindest auf den ersten Blick, Sven Lidmann als Verlierer hervorgeht. Glaube-Ideologie-Macht auch im gesellschaftlichen Bereich. Deutlich stellt der Roman mit seinen dokumentarisch-essayistischen Zügen dar, wie sehr vor allem Frauen die Ideologie der Pfingstbewegung unterstützten, doch kaum Macht innerhalb der Religion hatten. In einer Glaubensgemeinschaft, die sich durch Auswanderung innerhalb kurzer Zeit fast auf der ganzen Welt ausbreitete.
Enquist spannt einen weiten Bogen, angefangen von der Herrnhutischen Brüdergemeine des Grafen von Zinsendorf über die schwedische Arbeiterbewegung bis hin zur fast schon kommerziellen Ausdehnung der Bewegung, um dem Leser die Grundwerte der Religion zu vermitteln. Dieser wird dann aber leider mit dem Wissen über die Entstehung dieser Kirche allein gelassen. Viele Fakten über die Brüdergemeinde stehen einfach im Raum, werden nicht kommentiert, aufkommende Fragen nicht vollständig beantwortet. Warum folgten vor allem Frauen dieser Religion und gingen so stark in ihr auf?
Man vermisst das Greifbare der Religion im Roman, wie unter einem Tarnmantel sieht man mal einen Fuss, mal eine Hand, aber das Gefühl, die ganze Person zu sehen, bekommt man nicht. Dazu kommt, dass es dem Leser schwer fällt, eine Beziehung zu den beiden Hauptfiguren aufzubauen. Sie wirken meist distanziert, gar unsympathisch. Doch könnte das vom Schriftsteller beabsichtigt worden sein, um in der immer deutlicher werdenden Auseinandersetzung der beiden Führer keine Partei beziehen zu müssen?
Nichtsdestotrotz ist das Buch von Per Olov Enquist, der durch seine Romane "Der fünfte Winter des Magnetismus" und " Der Besuch des Leibarztes" berühmt wurde, ein gelungenes Werk. Ein gelungener Roman deshalb, weil es ein sehr persönlicher Text ist. In diesen Momenten, in denen der Ich-Erzähler zurückblickt auf das Leben von Efraim und die Beziehung zu ihm, fühlt der Leser Emotionen. Gelungen auch, weil es der Schriftsteller vermag, durch Sprache Spannung zu erzeugen. Anschaulich und abwechslungsreich, aber vor allem kraftvoll ist die Sprache des Romanes. "Und diese Wohltätigkeit, sie diente doch nur dazu, die wirklichen Probleme zu verbergen, das Bürgertum unter dem Firnis der Edelmütigkeit zu schützen, wo es doch eigentlich an seinen Gedärmen aufgehängt werden müsste?" So lässt der Erzähler Lewi an einer Stelle des Buches überlegen. Also wieder: Glaube, Ideologie und Macht.
Enquist gelingt es, den Leser in die manchmal etwas mystisch anmutende Welt der christlichen Pfingstbewegung zu entführen, und dabei immer wieder Brücken zu den zeitlich-aktuellen gesellschaftlichen Themen zu bauen.
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