Heilig Abend auf der Dracheninsel

In seinem zweiten Abenteuer begegnet der kleine Drache Kokosnuss dem Weihnachtsmann

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In China verkörpert er die höchste spirituelle Macht, steht für Weisheit und Kraft. Im europäischen Mittelalter ist er dagegen die Personifizierung des Bösen, von Sünde und Chaos. Heute sind Drachen aber immer öfter einfach freundlich und kinderlieb: So der Glücksdrache Fuchur aus der "Unendlichen Geschichte", das knuddelige Schmunzelmonster Elliot oder auch Peter Maffays Tabaluga. Mit dem kleinen Drachen Kokosnuss hat nun Ingo Siegner einen weiteren liebenswerten feuerspeienden Gesellen geschaffen - und auch dieser wird zweifelsohne Kinderherzen im Sturm erobern.

Bereits das Kinderbuch-Debüt des 38-jährigen Autodidakten, der bei einem Veranstalter für Familienreisen in Hannover arbeitet, gefiel durch seine fantasievollen Ideen über den kleinen Feuerdrachen und die detailfreudigen, humorvollen Illustrationen. Nun legt Siegner mit "Der kleine Drache Kokosnuss feiert Weihnachten" sein zweites Drachen-Abenteuer vor. Wieder fallen vor allem die liebevollen Bilder, die ebenfalls von Siegner stammen, besonders positiv auf. Mal füllen die Zeichnungen ganze Doppelseiten, mal sind sie geschickt in den Text eingebettet. Letztlich ist nicht eine einzige Bleiwüsten-Seite zu finden, sodass sich das Vorlese-Buch, zumal durch seine große, leicht lesbare Druckschrift, auch für Erstleser bestens eignet.

Ein weiterer Pluspunkt: Die Geschichte ist auch ohne Kenntnis des ersten Bandes verständlich. Alles Wissenswerte über den kleinen Feuerdrachen Kokosnuss, seine Stachelschwein-Freundin Matilda und die Dracheninsel wird vorab kurz zusammengefasst. So erfährt der Leser, der Kokosnuss bislang nicht kannte, dass dieser wie jeder Feuerdrache Flügel hat, "aber zum Fliegen ist er noch zu klein. Dafür kann er schon gut Feuer speien. Außerdem ist Kokosnuss ziemlich schlau, sehr mutig und sehr neugierig. Und wer schlau ist und mutig und neugierig, der erlebt eine Menge Abenteuer."

Das Abenteuer besteht diesmal darin, dass die beiden Pinguine Pelle und Greta auf einer kleinen Eisscholle bis zur Dracheninsel abgetrieben werden. Nun möchten sie wieder zurück zum Südpol - nur leider weiß niemand auf der Dracheninsel, die ja "ganz versteckt mitten in den Weltmeeren" liegt und die "kein Mensch je gesehen hat, außer vielleicht ein paar Piraten", wie sie wieder dorthin gelangen könnten. Das "ururururalte Wesen Yeminee", das im "ewigen Schnee der Himmelskratzer" der Insel lebt, kennt jedoch schließlich einen, der ihnen weiterhelfen kann: den Weihnachtsmann. Keine Frage, dass der Drache Kokosnuss, Matilda und die Pinguine sofort mit dem Yeminee zu den Nordischen Wäldern, in denen der Weihnachtsmann lebt, aufbrechen (praktischerweise hatte das Yeminee ohnehin gerade einen Fesselballon gebaut). Am Ende finden die Pinguine nicht nur glücklich wieder zum Südpol zurück. Sondern die Drachen feiern auf ihrer Insel auch erstmals das Weihnachtsfest, nachdem sie den Weihnachtsmann überzeugen konnten, auch die bislang verschmähte Dracheninsel endlich in seine Route aufzunehmen.

Insgesamt wirkt die Geschichte vielleicht etwas umständlich und verwinkelt, mit zahlreichen Zwischenstationen und etwas ausufernden Details. So stellt sich beispielsweise heraus, dass das Yeminee eigentlich aus dem Weihnachtsdorf stammt, ein Gehilfe des Weihnachtsmannes ist, "vor ungefähr hundert Jahren aus Versehen aus dem fliegenden Weihnachtsschlitten gefallen war" und sich dann zu einem "Kurzurlaub auf der Dracheninsel" entschlossen hat. Oder so stimmen die Yeminees bei der Rückkehr ihres Freundes einen Weihnachts-Rap an. Dieser aber wirkt innerhalb der Geschichte ebenso unmotiviert und letztlich überflüssig wie ein Kapitel über einen gefährlichen Sturm, in den der kleine Drache Kokosnuss und Matilda beim Rückflug zur Dracheninsel geraten. Und nicht zuletzt der Titelheld Kokosnuss selbst bleibt angesichts der vielen Handlungsstränge blass und konturlos. Würden ihm nicht vorab die Eigenschaften "schlau, mutig und neugierig" zugeteilt - beim Leser wären sie nicht die ersten Assoziationen. Doch trotz solcher kleiner Mängel: Ingo Siegner hat ein nettes zweites Buch geschrieben und seine Protagonisten haben noch immer Entwicklungspotenzial. Vielleicht kommt der Drache Kokosnuss ja im dritten Band so richtig in Fahrt. Denn dass die Begegnung mit dem Weihnachtsmann nicht das letzte Abenteuer des Feuerdrachen bleiben wird, steht zu erwarten.

Titelbild

Ingo Siegner: Der kleine Drache Kokosnuss feiert Weihnachten. Ein Vorlese-Bilderbuch.
C. Bertelsmann Verlag, München 2003.
72 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3570127656
ISBN-13: 9783570127650

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