Im Sonnenlicht totgekichert
Cornelia Neudert erzählt für Erstleser eine etwas andere Vampirgeschichte
Von Hannelore Piehler
Das "vegetarische Untier" war in der witzigen Märchenparodie "In einem tiefen, dunklen Wald" eine Erfindung des renommierten Kinderbuchautors und Vater des "Sams", Paul Maar. Die 29-jährige Cornelia Neudert legt nun das Paradox der freiwillig "vegetarischen Vampire" nach. "Ein Herz für Vampire" heißt das zweite Kinderbuch der Journalistin beim Kinderfunk des BR. Die kurze Geschichte um das Mädchen Clara Barzinger, das durch einen harmlosen Brief an die rumänische Großtante drei echte Vampire in das kleine Dorf Mühlzell lockt, räumt mit einigen Vorurteilen über die nachtaktiven Blutsauger auf.
Immerhin: Knoblauch können auch Cornelia Neuderts Vampire nicht leiden. Aber dass sie im Tageslicht sterben müssen, gehört beispielsweise ins Reich der Mythen, wie die jungen Leserinnen und Leser bei der Lektüre lernen: "Es ist zwar keineswegs so, dass Vampire im Sonnenlicht verglühen. Das nicht. Aber es kitzelt sie so entsetzlich, das sie sich vor Kichern kaum in der Luft halten können." Also allenfalls habe sich ein Vampir im Sonnenlicht einmal "totgekichert". Zudem: Das ganze Gerede von "Untoten" ist Quatsch. Vampire sind "überhaupt keine Menschen", sondern eben - Vampire. Nach Darstellung der jungen Autorin ähnelt diese Spezies übergroßen Fell-Fledermäusen. Die langen spitzen Eckzähne sind zwar tatsächlich vorhanden, doch zielen die Beißerchen nicht notwendigerweise auf menschliche Kehlen. Rote Säfte gibt es ja viele: "Wir fressen auch was anderes. Blutorangen mögen wir eigentlich genauso gern. Saftige rote Blutorangen." Oder Tomaten - und die in allen Variationen.
Und eben Claras brieflicher Hinweis auf ihre Fleischtomaten im Gewächshaus bringt die drei Vampire, Hausgenossen der besagten Tante, auf die Idee, nach Deutschland zu kommen. Dort stiften sie erst einmal einige Verwirrung im Garten der Familie Barzinger. Die Eltern glauben natürlich nicht an die Existenz von Vampiren. Die Kinder aber überraschen sie zufällig und Kater Zorro legt sich sofort auf die Lauer.
Für Erstleser ab sieben Jahren in extra großer Schrift gedruckt, hat die Geschichte einen soliden Spannungsbogen und ist auch nicht mit Details überfrachtet. Die Grundidee ist durchaus pfiffig, und auch die Auflösung der Verwirrung wird von der Autorin einfallsreich präsentiert. Für Grundschüler bietet "Ein Herz für Vampire" kurzweilige Unterhaltung, zumal auch die gängigen Vampirklischees erfrischend - wenngleich nicht umfassend - gegen den Strich gebürstet werden.
Ein paar kleine Schönheitsfehler hat das Kinderbuch allerdings auch. Nicht nur lesen sich die Verben wie für einen Beispiel-Schulaufsatz ausgewählt. Da wird gefaucht, gejubelt, gekeucht, geknurrt und wieder gefaucht, und zwar sowohl von Kater Zorro als auch von den drei Vampiren. Auch bei den - ansonsten gelungenen - Illustrationen von Anja Rieger sehen scharfe Kinderaugen sogleich einen Widerspruch zwischen Text und Bild, wenn Cornelia Neudert ausdrücklich von einem "knallgrünen" Fahrrad schreibt, das Mädchen Clara im Bild jedoch auf einem roten Drahtesel unterwegs ist. Aber solche Details sollen nicht überbewertet werden: Cornelia Neuderts zweites Kinderbuch lässt ein drittes durchaus positiv erwarten.