Ja und Amen

Das Begleitbuch zur Ausstellung "WunderbareWerbeWelten" bleibt affirmativ

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wunderbare Werbe-Welten. Die Autoren des Begleitbuchs zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Kommunikation Berlin im Jahr 2001 nehmen den Titel offenbar wörtlich. Im Geleitwort "Vom Wert der Werbung" rühmt Lothar S. Leonhard die Werbung als Motor der wirtschaftlichen Prosperität und versucht, den Leser für das ach so "attraktive Image" der Werbung zu gewinnen. Doch auch Umweltzerstörung kann höchst profitabel sein. Und voluntaristische Schönfärberei macht die Werbung nicht besser, als sie ist.

Das Vorwort des Herausgebers liest sich nur teilweise differenzierter. Immerhin weiß Joachim Kallinich um die Brandmarkung der Werbung als ideologisches Instrument, das Luftschlösser errichtet und den Menschen etwas vorgaukelt. Werbung sei Spiel, nicht Lüge, meint Kallinich, gute Werbung sei eine Kunstform und nicht notwendig an schlechte Produkte gekoppelt. So weit, so gut. Aber weshalb Werbung auch "Orientierung" bietet, einen "eigenen Wert" erschafft und zwischen "Warenwelt" und "wahrer Welt" nicht mehr sinnvoll unterschieden werden kann, bleibt wohl sein Geheimnis. Werbung ist so gut wie schlecht - so lautet ihre Rechtfertigung.

Mit zwei Zeilen umriss Wilhelm Busch das Verhältnis der Witwe Bolte zum Sauerkohl: "wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt". Eine ähnliche Vorliebe für Aufgewärmtes hegen offenbar die von Kallinich zusammengebrachten Autoren, denn vieles von dem, was sich hier veröffentlicht findet, konnte sich der in der Werbeliteratur einigermaßen bewanderte Leser schon in anderen Büchern aneignen.

Werner Gaedes Litanei des Prinzips "Abweichung" zum Beispiel ist ein flüchtiges Destillat aus seinem Buch "Abweichen von der Norm" und mehr oder weniger gleich argumentierenden Aufsätzen. Mit "Kauf mich!" variiert Volker Albus noch nicht einmal den Titel seines zum gleichen Thema veröffentlichten Buchs. Auch Bernd M. Michael hält es offenbar nicht der Mühe für wert, eine neue Präsentation seiner Überlegungen zu Verpackungen und Brand Value Signals zu erarbeiten. Er recycelt einfach die bewährten Abbildungen aus anderen Veröffentlichungen.

Das vorliegende Buch spannt einen Bogen von der Werbegeschichte über Marketing, Werbewirkung, Medien und Werbewelten bis hin zum Werbekult. Unter den Beiträgen finden sich neben einem Interview mit dem ADC-Gewaltigen Othmar Severin Artikel über Milieustudien, die Agentur Scholz & Friends, Werbefiguren und Merchandising bzw. den damit verbundenen Handel mit Lizenzen. Die Selbstbeweihräucherung feiert fröhliche Urstände: Mit eigenen Artikeln zu ihren Kampagnen dürfen die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG für sich selbst werben.

Von Witwe Bolte zu Norbert Bolz, der sich am Ende des Bandes über die quasi-religiöse Funktion des Konsums verbreitet. Sein Metier ist die Beschreibung, nicht die Kritik. Wie ein Totemwappen, sagt Bolz, prange das Logo auf dem Markenprodukt. Zwar fänden in unserer sachlichen Welt Emotionen keinen Halt mehr, dafür transferiere das postmoderne Kommunikationsdesign die Gefühle auf das unbeseelte Ding. Darin gleiche es dem Kino. Und der deutschen Romantik, die wiederum ...

Munter verquickt Bolz Anthropologie und Advertising, Ethnologie und Emotional Design. Am Ende der beschwingten Argumentations-Artistik stehen Einsichten wie diese: "Werbung und Marketing sind Opfer des Totem-Clans Firma an den Gott-Kunden, um ihn geneigt zu machen." Und in der Monstranz sitzt Onkel Franz.

Titelbild

Sigrid Randa-Campani (Hg.): Wunderbare Werbe Welten. Marken, Macher, Mechanismen.
Edition Braus im Wachter Verlag, Bönnigheim 2003.
160 Seiten, 35,00 EUR.
ISBN-10: 3926318937

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