Nacktschnecken und andere akausale Ereignisse

Isolde Oberhofs Debut-Erzählung schildert Situationen, die das Leben kurzzeitig ändern

Von Eva FouquetRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eva Fouquet

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Johanna Sojer kann an nichts anderes mehr denken, als an diesen Hinnerk, der sich in ihre Gedanken geschoben hat. Doch eigentlich sollte sie arbeiten - einen Aufsatz über Synchronizitäten und Parallelen im alltäglichen Leben lesen. 30 Mal hatte sie schon angerufen, seiner Stimme auf dem Anrufbeantworter zugehört, doch die passenden Worte kann sie nicht finden, also legt sie immer wieder auf. Schließlich packt sie all ihren Mut zusammen und fährt zu seinem Haus, um vielleicht so mehr über ihre alte Liebe herauszubekommen. Hinnerk aber ist nicht zu Hause, und so geht Johanna einmal um das Grundstück herum und fährt wieder zurück nach Hause. Sie ist unfähig zu arbeiten, zu denken, aus dem Bett zu steigen. Immerzu drängen sich die vergangenen Bilder von ihr und Hinnerk in ihre Gedanken. Bis der Anruf ihrer Mutter kommt: "Hans ist zusammengebrochen, er lag bewusstlos auf dem Küchenboden."

Dass Hans Johannas Vater ist, erfährt der Leser erst später. Vater und Tochter hatten in der letzten Zeit nicht das innigste Verhältnis. Doch am Krankenbett kommen sich die beiden wieder näher. Unerwartete familiäre Gefühle steigen in ihr hoch, und Johanna entschließt sich, ihren Vater zu Hause zu pflegen. Doch schon nach kurzer Zeit stirbt er.

Der Kreislauf der Parallelitäten und Synchronizitäten schließt sich. Nun erhält die Protagonistin die schweigsamen Anrufe, die sie selbst so oft auf Hinnerks Anrufbeantworter hinterlassen hat. Das Telefon klingelt wieder und wieder, doch ehe man erfährt, wer der Anrufer ist, endet die Erzählung abrupt. Wie die Dinge eben so laufen...

Die Autorin Isolde Oberhof wurde 1959 geboren. Sie studierte Soziologie und Germanistik. Zwischenzeitlich war sie als Schauspielerin in freien Theatergruppen tätig und hat erste Texte in Literaturzeitschriften veröffentlicht. Die Erzählung "Wie die Dinge laufen" ist ihr Buchdebüt.

Ihrer Protagonistin verleiht die Autorin einen nüchternen Gestus, der die Geschichte im lakonischen Tonfall transportiert. Doch in diese trostlosen, fast schon depressiven Monologe webt die Autorin kunstvoll immer wieder kurze Passagen leidenschaftlicher Erinnerungen ein.

Unnötigerweise wurde der Geschichte das ständig wiederkehrende Motiv der Wiederholung übergestülpt. So scheint es, als würden einige Handlungen, Sequenzen, Situationen und Gedanken der Protagonistin zwanghaft nach diesem Schema geformt. Die Idee, die Analyse C. G. Jungs "Über die Synchronizität akausaler Ereignisse" in einer Erzählung aufzunehmen, ist frappant, doch dass die Protagonistin ständig an Nacktschnecken denkt und ihnen auf der Straße begegnet, wirkt leider etwas konstruiert.

Trotz alledem ist die Erzählung lesenswert. Auf 80 Seiten wird dem Leser vor Augen geführt, wie schnell sich die kleinen oder größeren Dinge im Leben ändern können. Wie heißt es bei David Lynch: "Zufälle sind niemals Zufälle."

Titelbild

Isolde Oberhof: Wie die Dinge laufen.
P. Kirchheim Verlag, München 2003.
90 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-10: 3874100979

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