Lust und Perversion

Louise Welsh garantiert für einen Ausflug in die verstörende Welt der "Dunkelkammer"

Von Nadine BelzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nadine Belz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wovor ich mich hatte drücken wollen, war die Wahrheit." Spannend, aufwühlend, manchmal erschreckend und vor allem verstörend. So lassen sich die Gefühle beim Lesen des Buches in Worte fassen. Es ist, als blicke man in die Abgründe der menschlichen Seele mit all ihren Perversionen. Das zumeist Unvorstellbare wird dem Leser hier mehr als deutlich vor Augen geführt. Und immer, wenn man denkt, dass jetzt alles vorbei und überstanden sei, wird man eines Besseren belehrt. Das grauenhaft Unmenschliche wird immer weiter gesteigert. Die Abartigkeit und Perversion scheint keine Grenzen zu kennen. Man versucht zu begreifen und zu verstehen. Die Hintergründe herauszufinden und alles in einen Zusammenhang zu bringen. Die Hoffnung, dass all das vielleicht nur gestellt und nicht wirklich ist. Der Versuch, eine Kammer zu finden, in der man das Gesehene ablegen kann und von wo es nie mehr ins Gedächtnis gerufen wird.

So geht es auch Rilke, der Hauptfigur des Romans "Dunkelkammer". Als Auktionator in einem Glasgower Auktionshaus ist er mit der Räumung des Hauses eines kürzlich Verstorbenen beauftragt. Während der Räumung entdeckt er auf dem Dachboden eine geheime Bibliothek mit erotischen und pornografischen Büchern und weiterem Material. Die Bilder, die er dort zu Gesicht bekommt, schockieren und verstören ihn - und zugleich wecken sie seine Neugier. Er wird hineingezogen in einen Strudel aus Pornografie und Lust. Was er während seinen Nachforschungen erfährt, lässt selbst den abgebrühten Rilke an seine Grenzen stoßen. Die Abgründe, die sich ihm offenbaren, hätte selbst er nicht für möglich gehalten.

Man hat das Gefühl, die Bilder selbst vor Augen zu haben, man ist versucht, nicht weiterzulesen - und wird trotzdem magisch angezogen. Was nicht zuletzt auch an der detailgetreuen Sprache des Debütromans von Louise Welsh liegt. Die düstere Atmosphäre, in der sich alles abspielt, liefert für die Handlung den passenden Rahmen und erzeugt ein in sich stimmiges Szenario. Alles in allem ein ungewöhnlicher Krimi, der nicht unbedingt dem normalen Spannungsschema folgt - aber ein lesenswertes, kein Detail aussparendes Buch.

Titelbild

Louise Welsh: Dunkelkammer. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Wolfgang Müller.
Verlag Antje Kunstmann, München 2004.
304 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3888973481

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