Ein toter Schriftsteller sprengt den Rahmen
A. L. Kennedys Roman "Also bin ich froh"
Von Sebastian Domsch
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWie kann man nur so gut schreiben können wie A. L. Kennedy und sich gleichzeitig eine so armselige Geschichte ausdenken? Kennedys neuen auf Deutsch erschienenen Roman "Also bin ich froh" zu lesen, bedeutet ein ständiges Wechselbad zwischen uneingeschränkter Begeisterung über die sprachliche Kraft ihrer Prosa sowie die Unbarmherzigkeit ihres Schreibstils auf der einen Seite und Irritation bis Verärgerung über das, was da eigentlich erzählt wird, auf der anderen Seite.
Es ist ein Liebesroman, und natürlich ist es einer über die Unmöglichkeiten der Liebe und über die Unfähigkeit, überhaupt eine echte Verbindung zu einem anderen Menschen herzustellen. Kaum jemand findet dafür so passend scharfe Worte wie A. L. Kennedy, mit scheinbarer Beiläufigkeit ausgesprochen und dabei genau ins Schwarze treffend.
Darüber hinaus versteht sie es, ihre Charaktere wirklich zum Leben zu erwecken. Das gilt vor allem für die Ich-Erzählerin Jennifer, eine 35-jährige Radiosprecherin, die in den frühen neunziger Jahren in Glasgow in einer Wohngemeinschaft lebt. Sie ist ein emotionales Wrack, deren Gefühlsleben so lange den Bach heruntergegangen ist, bis sie schließlich das Fühlen überhaupt verlernt hat. Sie ist sehr gerne allein, kann mit Sex nicht viel anfangen und vergisst sich stattdessen schon mal bei einem sadistischen Vorspiel. Das Leben hat nie angefangen, und so könnte es eigentlich auch enden. Dass mit einer solchen Figur eine sich anbahnende Liebe keine Romanze werden kann, ist klar, aber das würde von Kennedy ja auch niemand ernsthaft erwarten. Es wird also erbittert um Nähe und Distanz gerungen, ein nicht sehr elegantes Hin und Her zwischen Tanz und Duell. So wie es eben ist.
"Also bin ich froh" könnte ein großes und im besten Sinne des Wortes wahres Buch sein, wenn es nicht noch etwas anderes sein wollte: ein Fantasy-Roman oder ein Mystery-Melodram, vielleicht sogar eine postmoderne Metafiktionsspielerei. Erinnert sich noch jemand an Savinien Cyrano de Bergerac? Nicht den aus dem Theaterstück, der aussieht wie Gerard Depardieu, sondern den echten, den fantastischen Schriftsteller und legendenumwobenen Haudegen, geboren 1619, gestorben 1655. Das behaupten zumindest die Literaturgeschichten. Kennedy scheint es besser zu wissen, denn niemand anderes als dieser Savinien ist es, der plötzlich in Jennifers Küche sitzt, leicht desorientiert und geheimnisvoll. Zuerst wissen sie und der Leser natürlich nicht, dass sie einem dreihundert Jahre alten Freizeitschriftsteller und Vollzeitduellanten gegenübersitzen, Jennifer hält ihn für den neuen Mitbewohner Martin, dessen Ankunft gerade erwartet wird.
Als "Martin" benimmt sich der Fremde natürlich eher merkwürdig, und so rückt er gegenüber Jennifer dann irgendwann mit der Wahrheit heraus. Sie lässt ihn weiter im Haus wohnen, und die beiden kommen sich näher. Damit zerfällt der Roman aber in zwei Teile, die so gar nicht zueinander passen wollen. Der Liebesgeschichte nimmt Saviniens irritierende Identität ihre Nachvollziehbarkeit, doch auf der anderen Seite bleiben die Fantasyelemente (so glüht zum Beispiel Saviniens Schweiß im Dunkeln) weitgehend unentwickelt. Die mit Abstand besten Stellen sind diejenigen, in denen Jennifer, unabhängig von der Story, ihre Gedanken und Meinungen schweifen lässt und mit wenigen Sätzen den Schleier der Schönheit herunterreißt, den wir so gern vor unsere Realität hängen.
"Also bin ich froh" ist A. L. Kennedys zweiter Roman, den sie bereits 1995 geschrieben hat. Er zeigt eine große und hervorragende Erzählerin und bietet den Freunden von Kennedys Prosa durchaus eine ganze Reihe von Höhepunkten. Als Roman ist er allerdings noch nicht unbedingt auf der Höhe ihrer späteren Erfolge.
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