Der "Brockhaus in zehn Bänden" will wieder Buch sein

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Warum soll man sich das Bücherregal mit einem 24-bändigen Trumm verstopfen, wenn sich der gesamte Informationsbestand einer Enzyklopädie auch auf zwei fröhlich zwitschernden Silberlingen verdichten lässt? So sprach der Brockhaus Verlag und rüstete elektronisch auf. Den meisten der kleinen und mittleren Lexika wurde fortan ein schmalbrüstiger Zusatz beigegeben. In der Oberliga tritt die "Enzyklopädie digital" sogar als gleichwertiges Produkt neben seinen bodenständigen Zwillingsbruder aus Papier und Leinen. Bald schon, so stand zu befürchten, würde es den Büchern vollends die Sprache verschlagen haben und über die PC-Bildschirme nur noch die Suchmasken multimedial hochgezüchteter Lexika wabern. Dann wäre auch die renitente Trägheit des Gedruckten endlich aus der Welt geschafft: Den einmal erworbenen Datenstand könnten die Nutzer regelmäßig und gegen Gebühr via Internet "updaten". (Vgl. literaturkritik.de 07/2004.)

Ausgerechnet aus dem Brockhaus Verlag kommt jetzt ein zehnbändiges Lexikon, das sein Buchsein so ostentativ zur Schau stellt wie keine andere Ausgabe vor ihm. Der "Brockhaus in zehn Bänden" ist laut Verlag in ein "High-Tech-Einwandgewebe" gehüllt. In Wirklichkeit wirkt das Lexikon mit seiner Textur aus dunklem Silber und seinem schützenden Silberkopfschnitt wie aus einem massiven Eisenblock herausgefräst. So schwer und gewichtig, dass man ihm im Bücherregal intuitiv einen der unteren Plätze zuweisen möchte, um die Fallhöhe des gravitierenden Wissens wenigstens etwas zu verringern. Wie es zu solchen Gegentrends kommt, die vielleicht nicht mehr sind als Rückzugsgefechte, kann man erklären. Denn mit einem hatte die eilfertige Schar der Digitalisierer, der Marketing-Fachleute, Programmierer und Screen-Designer nicht gerechnet: mit dem störrischen Elementarismus des Lesers. Der nämlich schleppt lieber ein 20 Kilogramm schweres und deshalb offensichtlich "wertvolles" Lexikon mit nach Hause, als dass er Hunderte von Euro in einen Datenträger investiert, dessen reiner Materialwert nur ein paar Cents beträgt. Obendrein hat man erkannt, dass der Griff ins Regal ungemein praktischer und direkter ist, als den Wissensdurst umständlich durch das Hochfahren des Computers und das Einlegen einer CD-ROM zu stillen.

Unerwartete Zugänge erschließt auch die Ausstattung des 150.000 Stichwörter umfassenden Brockhaus: Mit 14.000 Abbildungen, Grafiken und Fotos ist das Werk komplett neu bebildert worden. Rund 400 Tabellen fassen Sach- und Detailinformationen zusammen, 800 "Infokästen" warten mit Anekdoten und Hintergründen auf. Ein verzichtbares Novum sind die so genannten "Topic-Maps", die auf ihren Verweislisten Personen und verwandte Sachbegriffe verlinken. Hinterrücks begehren so die Neuen Medien wieder Einlass.

F.M.

Titelbild

Der Brockhaus in zehn Bänden. Band 7.
Brockhaus Verlag, Mannheim 2004.
7360 Seiten, 99,99 EUR.
ISBN-10: 3765324507

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