"Zwei Seelen und ein Gedanke …"

Der neue "Jüdische Kunstkalender" widmet sich dem Grafiker Michel Fingesten

Von Thomas IrmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Irmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rechtzeitig zu Rosch-ha-Schana, dem am 15.09. beginnenden Wechsel zum neuen jüdischen Jahr, hat der Lichtig Verlag einen neuen Kalender vorgelegt, der im dreizehnten Jahr seines Erscheinens einen neuen Namen erhalten hat: Aus dem "Jüdischen Wandkalender" wurde der "Jüdische Kunstkalender". Der neue Titel kommt dem Anliegen der Herausgeberin Nea Weissberg-Bob viel näher, will sie doch seit Bestehen des Kalenders an in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgte und bis heute häufig vergessene jüdische Künstlerinnen und Künstler erinnern. Für die neue Ausgabe hat sie Exlibris des Grafikers Michel Fingesten (1884-1943) zusammengestellt.

Fingesten ist den Kennern des Kalenders allerdings kein Unbekannter, war er doch schon in früheren Ausgaben vertreten. Zum zweiten Mal und aufgrund der großen Nachfrage wird ausschließlich ihm ein Kalender gewidmet, so der Verlag. Im Vordergrund stehen jetzt von Fingesten geschaffene Exlibris, überwiegend Radierungen, die von dem Fingesten-Spezialisten Ernst Deeken kommentiert werden. Deeken hebt in einer Kurzbiografie über Fingesten vor allem dessen letzte Lebensjahre in Italien hervor. Dorthin emigrierte Fingesten 1935 aus Berlin, als er im nationalsozialistischen Deutschland als "entarteter Künstler" verfolgt wurde. In Italien starb er 1943 kurz nach der Befreiung unter ungeklärten Umständen. Es waren familiäre Verbindungen, die zur Wahl des faschistischen Italien als Emigrationsziel geführt hatten. Nachdem Fingesten dort bald Kontakt zu Kollegen und Sammlern gefunden hatte, schuf er zahlreiche Exlibris, von denen nun eine kleine Auswahl im neuen Kalender präsentiert wird.

Fingesten war ein Meister der kleinen Marke, des sehr privaten Bucheignerzeichens. In deren Gestaltung fällt der Einfluss kubistischer Stilmittel auf, mit denen Fingesten seine Bilder buchstäblich zum Leuchten bringt. Und nicht ohne Grund werden im neuen "Jüdischen Kunstkalender" auch eine Reihe Frauen- und Männerakte gezeigt, die Fingesten für private Sammler gestaltete. Die "geistige wie auch körperliche Liebe", so Deeken, besaß für Fingesten "einen hohen Stellenwert".

So kann das Titelzitat des neuen "Jüdischen Kunstkalenders", das einer Exlibris entlehnt ist, die Fingesten für den italienischen Bausachverständigen Giovanni Botta aus Mailand anfertigte, durchaus programmatisch für das Werk und eine Quelle der Schaffenskraft von Michel Fingesten gelesen werden.

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Nea Weissberg-Bob (Hg.): Jüdischer Kunstkalender 2004/2005. "Zwei Seelen und ein Gedanke ..." Michel Fingesten - aus seinem graphischen Werk.
Lichtig Verlag, Berlin 2004.
16 Seiten, 19,50 EUR.
ISBN-10: 3929905183

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