Schlaflos im Endlos-Loop

Der Poetry-Performer Bas Böttcher schreibt seinen ersten Roman

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Linus, um die Welt jettender DJ, und Ariane, die als Stewardess arbeitet und ihre Zeit also ebenfalls vor allem in der Luft verbringt, sind ein Liebespaar. Ein Liebespaar, das kaum Zeit füreinander hat, sich eigentlich kaum kennt. Sie treffen sich in Hotels, für eine Nacht oder auch mal länger, wie es der enge Terminplan hergibt, wo die Wege sich kreuzen. Einige dieser Nächte sind für den Ich-Erzähler Linus aufreibend, beunruhigend. Er fragt sich, wer diese Ariane, dessen Stimme er öfter auf seiner Mailbox hört als real, dessen Körper er sich öfter vorstellt, als er ihn wirklich berührt, eigentlich ist. Und vor allem: Welche Geheimnisse sie vor ihm verbirgt. So fasst Linus den Entschluss, sich in Arianes E-Mail-Account einzuhacken. Er stößt auf seltsam verschlüsselte Nachrichten und vermutet hinter ihrer glatten Stewardessenoberfläche eine zweite Existenz: als geheime Flugsicherheitskraft.

Bas Böttcher, seit Jahren als Spoken-Word-Performer und HipHop-Aktivist unterwegs, hat mit "Megaherz" seinen ersten Roman geschrieben. Von der "ersten Berührung von HipHop-Sprache mit Belletristik" ist da in den Feuilletons die Rede, und auch Böttchers technisches Vokabular scheint die Kritiker zu faszinieren, ein Vokabular, dass Jugendsprache mit DJ-Ausdrücken mischt und somit die ganz normale Sprache aller Berufsjugendlicher darstellt: Von SMS bis Slipmat eben. Böttchers Sprache wirkt manchmal aber leider auch etwas bemüht, wie im wiederholten "Layover-Lover" oder Sätzen wie "Als On-Demand-Kunde, Echtzeit-Gamer und Händy-Män war ich direkte Auswirkungen meines Handelns gewohnt." Und eine Eigenart Böttchers weiß wirklich zu nerven, nämlich das ständige Abschließen bzw. Wegwischen eines Absatzes durch die Worte "Aber egal."

Leider ist der Hinweis auf die HipHop-Einflüsse im Text nicht wirklich nachzuvollziehen. Es gibt einige in den Text eingebettete Gedicht- bzw. Poetry-Passagen, die zwar an sich oftmals interessant und innovativ sind - und man kann sich vor allem live von ihren Qualitäten und denen von Böttcher als Spoken-Word-Performer überzeugen, schließlich war er bereits 1997 erster deutscher Poetry-Slam-Meister und reist seitdem im Auftrag des Goethe-Instituts um die Welt -, aber im Kontext der Geschichte wirken sie uninspiriert hineingezwängt. Die sprachliche Poesie der Momente, die sie beschreiben sollen, findet sich dagegen viel eher im Prosa-Text selbst. Dort jedoch ist wiederum von der HipHop-Welt und ihren Einflüssen nichts übernommen worden. Vielmehr arbeitet der Protagonist Linus als Techno-DJ, und es fällt auf, dass viele der Beschreibungen und Zuweisungen Böttchers sehr an das Techno-Image der frühen 90er Jahre gemahnen - ein Image, das (ein ähnliches Problem hatte bereits Rainald Goetz mit "Rave") stark dem "Technohype" jener Zeit erlegen ist, und das sich oftmals sehr affirmativ präsentiert.

Böttcher hat mit "Megaherz" eine solide Prosaerzählung geschrieben, die durchaus Spannung zu erzeugen weiß und auch sprachlich interessante Einflüsse aus der Performance-Poetry aufgreift. Leider wird der spannendste Aspekt, den die Geschichte von Linus und Ariane aufwirft, nur oberflächlich thematisiert: Da ist einerseits die Begeisterung für elektronische Kommunikation, für die Möglichkeiten der Sprache und für das ständige Unterwegssein, das Jet-Set-Leben. Und andererseits schwingt, trotz Geld und Technik und gerade aufgrund der Heimat- und Rastlosigkeit, immer eine gewisse Verlorenheit, eine Einsamkeit in allem mit. Sicherlich tritt dieser Kontrast an einigen Stellen hervor, doch ist er immer nur nebensächlich und wird vom Strom der Geschichte und des Geschehens wieder weggewischt - vielleicht zurückgelassen auf irgendeinem Flughafen, auf dem Flug in die nächste Stadt. Und ebenso nebensächlich erscheint zum Schluss der Verlauf der Geschichte, wenn sich alles als genau so erweist, wie Linus es von Anfang an vermutet hat, und dann einfach nichts mehr passiert.

Die Sprache spielt mit uns, sie strukturiert uns, gibt uns Namen und Bezeichnungen. Die Sprache ist immer schon vor uns da. Das weiß auch Bas Böttcher. Er formt die vorhandenen Sprachstrukturen gekonnt und mit einer oftmals sehr eigenen Flüssigkeit. Wenn es ihm gelingt, seine sprachlichen Fähigkeiten nun noch mit einer schlüssigen Geschichte zu kombinieren, wenn er sich die Zeit nehmen würde, seinen Charakteren - auch und gerade in ihrer Oberflächlichkeit - eine gewisse Tiefe zu geben, könnte sein nächstes Buch ein ganz großes werden.

Titelbild

Bas Böttcher: Megaherz. Roman.
Rotbuch Verlag, Hamburg 2004.
160 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3434531327

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