Von der Eitelkeit der Menschen

Der witzig-groteske Roman "Leimen" von Willem Elsschot

Von Dörte HartungRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dörte Hartung

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer bei diesem Titel an einen Holzbausatz, den man zusammenkleben muss, denkt oder gar an "den Leimener", der mehrmals das Tennisturnier von Wimbledon gewann - Boris Becker - der liegt ganz falsch. Es geht hier nämlich um die geschäftliche Ausführung des Leimens und wie man damit eine Menge Geld verdient. Sie wissen nicht, was das ist? Dann lesen Sie das neu erschienene Buch von Willem Elsschot.

Als Frans Laarmans abends in einer Bar die Bekanntschaft von Ch. A. F. D. Boorman macht, weiß er noch nicht, wie sehr sich sein Leben künftig ändern wird. Boorman, Herausgeber der "Allgemeinen Weltzeitschrift für Finanzen, Handel und Gewerbe", überredet den mittellosen Laarmans, sein Sekretär zu werden, mit der Aussicht, die Nachfolge des Unternehmers anzutreten. Vom angebotenen Geld und der imposanten Erscheinung Boormans geblendet, nimmt Laarmans die Herausforderung an und ist nun mittendrin im Geschäft des 'über-den-Tisch-Ziehens'. Und das passiert folgendermaßen: Die "Allgemeine Weltzeitschrift" druckt Artikel über Firmen und ihre Produkte. Die journalistischen Texte sind natürlich direkt nach dem Mund der Firmenbesitzer geschrieben. Diese sind von ihrer eigenen Eitelkeit so geblendet, dass sie gleich mehrere zehntausend Exemplare der Zeitschrift kaufen - und Boorman hat so ein lukratives Geschäft gemacht. Des einen Eitelkeit ist also des anderen Freud.

Eines der besten und witzigsten Kapitel des Buches ist jenes, in dem Laarmans den geschäftlichen Ablauf der "Weltzeitschrift" erklärt bekommt. Dieser ist nämlich praktisch nur heiße Luft, die jedoch von Boorman in so wundervolle Worte gekleidet wird, dass man als Leser nicht weiß, ob man lachen oder staunen soll. Am besten macht man beides gleichzeitig.

Laarmans wird flugs in de Mattos umbenannt, denn Laarmans "ist unmöglich, vor allem in einem Land, wo die Kunden selbst Mosselmans, Biermans und Borremans heißen. Du heißt von jetzt an Teixiera de Mattos, das ist doch mal ein Name, findest du nicht?", stellt Boorman gleich zu Beginn fest. Nomen est omen - so wünschst es sich Boorman und möchte damit den Kunden Respekt einflößen.

Der Leser folgt den beiden Protagonisten mit offenem Mund durch das gesamte Flandern, wie sie Geschäftsleute um den Finger wickeln und sie so ganz nebenbei erpressen. "Das kommt alles durch die Eitelkeit, de Mattos. Alle wollen sie die Nummer eins sein oder zumindest dafür gehalten werden. Die meisten tun sogar lieber als ob, anstatt sich zu wünschen, es wirklich zu sein.", sinniert Boorman über den Hintergrund seines lukrativen Geschäfts. Zwischen den Zeilen lassen sich in dieser locker-witzigen Geschichte immer wieder tiefsinnige Nuancen finden, die vom Autor eingestreut wurden und tragisch-komische Facetten des Charakters von Laarmans sichtbar machen.

Ebenso wie im ersten Buch Elsschots, "Käse", heißt die Hauptfigur Frans Laarmans. Auch wenn sich die beiden Laarmans ähneln, sind sie nicht die gleichen Figuren. Willem Elsschot füllte diesen Namen also mit verschiedenen Eigenschaften, die immer den sich leicht überschätzenden, leicht tragischen, leicht komischen aber liebenswerten Menschen darstellen.

Wer "Käse" witzig und unterhaltsam fand, der wird auch bei "Leimen" lachen, dieser grotesken Geschichte, die so ganz anders ist als die üblichen Gesellschaftssatiren.

Titelbild

Willem Elsschot: Leimen.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Gerd Busse.
Unionsverlag, Zürich 2005.
205 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3293003427

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