Küsse beim Fliegen

Ein Fliegerroman der Kanadierin Helen Humphreys

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Warum macht sie das nur? "Ich kann einen Strich quer durch den Monat August 1933 machen. Einen perfekten Strich am Himmel", sagt Grace O'Gorman. Sie ist wagemutig und selbstsicher, ein Star unter den Fliegern und eine der wenigen Frauen unter ihnen. Mit Willa Briggs will sie den Dauerflugrekord ihres Mannes Jack brechen. In ihrem Doppeldecker steigt sie über der Kleinstadt auf. Unten steht Maddy, die Tochter einer Wahrsagerin, und wünscht sich nichts sehnlicher, als auch einmal so unabhängig zu sein. Willa vergöttert Grace und ihren älteren Bruder Simon "Kid" Kahane, den Boxer, bei dem sie Unterricht nimmt. Es ist eine kleine Welt, verschachtelt und immer bedroht: Wegen eines Sieges des jüdischen Boxers über einen Deutschen wollen amerikanische Nazis Rache nehmen. Und es kommen Briefe aus Deutschland, die von Verhaftungen und KZs erzählen.

Fliegerinnen sind scheel angesehen. Alle acht Stunden werden die beiden Pilotinnen von einem anderen Flugzeug aus mit Benzin, Lebensmitteln und frischer Kleidung versorgt. Sie schreiben sich kleine Briefe, denn Sprechen geht nicht, und als das Papier naß wird, beginnen sie, eine eigene Zeichensprache zu erfinden. Es entwickelt sich eine enge, seltsam stumme Beziehung zwischen den beiden, eine wortlose Intimität.

Helen Humphreys beschreibt die Tage dieses Rekordfluges, diese Tage der Qual, des ständigen Kampfes gegen die Müdigkeit, Steifheit und Erschöpfung, gegen Sonne, Wind und Regen. Ein Roman ohne jede Effekthascherei, sachlich und doch gefühlvoll, sinnlich und präzise.

Titelbild

Helen Humphreys: Wenn der Himmel uns küßt. Übersetzt von Susanne Aeckerle.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999.
240 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3462027891

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